Regionen

„Zähne des Windes“

Die Heuschreckenplage von Karakalpakistan

Wanderheuschrecken © Jonathan Hornung

Das Austrocknen des Aralsees hat eine weitere, unerwartete Plage mit sich gebracht. Weil weniger Wasser im Aralsee ist, bilden sich über dem See kaum noch Wolken. Das Klima im Becken des Aralsees ist deshalb in den letzten Jahrzehnten im heißer und trockener geworden. Die riesigen Schilfwälder in den Deltas von Amudarja und Syrdaria trocknen dadurch schnell aus – und bilden eine ideale Brutstätte für Heuschrecken.

In den Brutregionen schlüpfen die Larven im Frühjahr und bleiben dort, bis sie sich voll entwickelt haben. Im August werden die Larven der Heuschrecken geschlechtsreif. In schlechten Jahren fallen die „Zähne des Windes“ dann zu Abermillionen über alles Fressbare her, was sich ihnen in den Weg stellt. Warum es nur hin und wieder zu bedrohlichen Heuschreckenplagen kommt, ist bisher noch unerforscht.

Satellitenbilder gegen Schrecken

In Karakalpakistan, einer autonomen Republik in Usbekistan, die südlich des Aralsees liegt, hat die Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit den Kampf mit den Heuschrecken trotzdem aufgenommen. Hans Wilps, der Leiter des Projekts, hat jahrelang in Afrika Insekten bekämpft. Seine Erfahrungen kommen ihm jetzt auch am Aralsee zugute. „Eine effektive Bekämpfung ist nur möglich, wenn die Brutstätten der Schädlinge bekannt sind und Larvenbestände dort bereits während der Brutzeit dezimiert werden,“ so Wilps.

Um potentielle Brutgebiete zu identifizieren, setzt die GTZ auf moderne Fernerkundungstechnik. Gemeinsam mit der Universität Wyoming werten die Schädlingsbekämpfer Satellitenbilder der Region in Karakalpakistan aus, um Gefahrenpotential-Karten zu erstellen. In Falschfarben werden dabei verschiedene Vegetationsformen dargestellt. Schilfwälder, die möglichen Brutgebiete der Heuschrecken, erscheinen darauf beispielsweise grün, Felder rot. Am Boden und durch Überflüge verifizieren die Mitarbeiter von Wilps, welche der möglichen Flächen tatsächlich Brutgebiete der Heuschrecken sind. Sind die Karten erst einmal erstellt, können sie regelmäßig aktualisiert werden.

Noch kein effektiver Schutz

Das zweite Ziel des GTZ-Projekts ist die effektive Schädlingsbekämpfung. Schon zu Sowjetzeiten gab es gefräßige Heuschreckenschwärme. Ein staatliches Schutzsystem sorgte mit Tonnen von Pestiziden dafür, dass sich die Insekten nicht ausbreiteten. Heute haben die zentralasiatischen Länder ihre Schutzmaßnahmen gegen Heuschrecken alle einzeln organisiert. In Kasachstan liegt die Aufgabe in privater Hand. In Usbekistan und damit auch in Karakalpakistan wird der Schutz weiterhin staatlich gelenkt.

Zweieinhalb Millionen Hektar potenzielle Brutgebiete haben Wilps und seine Kollegen in der letzten Saison identifiziert. Doch nur 150.000 Hektar davon konnten regelmäßig kontrolliert werden. Denn die Ausstattung der einheimischen Überwachungsmannschaft ist veraltet. Außerdem sind längst nicht so viele Helfer im Einsatz wie nötig.

Sprühen muss noch immer sein

Aber die GTZ unterstützt die Einsatztruppe in Karakalpakistan mit neuester Technik. Mit dem umweltschonenden Ultra-Low-Verfahren ist pro Hektar nur noch ein Liter Sprühmittel notwendig. Nach der sowjetischen Methode wurde früher pro Hektar mehr als einhundert Liter eines Gemischs aus Wasser und Pestizid versprüht. Ganz auf Pestizide zu verzichten, ist bisher nicht möglich. Biologische Bekämpfungsmittel, bei denen beispielsweise für Heuschrecken schädliche Pilzsporen zum Einsatz kommen, sind noch nicht ausgereift. „Wenn die Heuschrecken in Massen auftreten, helfen nur Pestizide“, so Wilps.

Weil die Heuschreckenschwärme an Staatsgrenzen nicht Halt machen, sondern sich die für sie besten Umweltbedingungen suchen, kann der Kampf gegen die Insekten am Aralsee nur dann erfolgreich sein, wenn die Nachbarländer ihre Maßnahmen aufeinander abstimmen. Auch Kasachstan hat bereits Interesse geäußert, die Beratung der GTZ in Sachen Heuschreckenabwehr in Anspruch zu nehmen.

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Stand: 05.01.2007

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

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