Atome derart zu beherrschen ist eine Voraussetzung für einen Quantencomputer: Egal ob solch ein Rechner einmal mit Atomen, Molekülen oder Ionen arbeiten wird – an allen drei Möglichkeiten tüfteln Physiker derzeit –, kalt müssen die Teilchen immer sein. Sehr kalt, höchstens Bruchteile eines Grades Celsius über dem absoluten Nullpunkt.
Das bedeutet: Die Teilchen müssen beinahe still stehen. So wie Hijlkema, Weber und ihre Kollegen Atome in einem Resonator fixieren. Immerhin 17 Sekunden lang haben sie Rubidiumatome schon festgesetzt – auf einer atomaren Zeitskala entspricht das einer kleinen Ewigkeit. Dabei experimentieren die Wissenschaftler mit verschiedenen Mechanismen, die Atome zur Ruhe zu bringen und zu kontrollieren.
Alleine drei verschiedene Kühltechniken wenden sie an, um die Teilchen zwischen den Spiegeln zu bändigen – die Abkühlung in der magnetooptischen Falle, die auch Tatjana Wilk benutzt, haben die Atome da schon hinter sich. Von diesem Standardkühlschrank für Atome transportieren die Physiker ihre Versuchsobjekte mit einer Dipolfalle in den Resonator. Auch hierbei nutzen sie wieder das elektromagnetische Feld eines Lasers. Dieses Feld verformt die Elektronenhülle der Atome zu einem Dipol, den der Laser gleichzeitig anzieht.
Licht kühlt Atom
Über eine Strecke von 14 Millimetern manövrieren die Physiker die Teilchen mit ihrem elektromagnetischen Greifarm in den Resonator. Dort geht es erst richtig los: Der Abstand der Spiegel des Resonators ist so justiert, dass nur Licht bestimmter Frequenzen hin- und herlaufen kann.
Außerdem treffen sich im Zentrum der Spiegelkammer zwei Laserstrahlen. Der eine dient als Dipolfalle zum Festhalten des Atoms; der andere regt das Atom an, sodass dieses ein Photon in den Resonator abgeben kann. Die Frequenz des anregenden Lasers ist jedoch ein bisschen kleiner als diejenige, die in den Resonator passen würde. Daher braucht das vom Atom abgestrahlte Licht noch ein wenig mehr Energie. Die nimmt es aus der Bewegung des Atoms, das damit langsamer wird – und kälter.
Als Dopplerkühlung bezeichnen Physiker diesen Effekt, der sowohl entlang der Resonatorachse als auch senkrecht dazu in Richtung des anregenden Laserstrahls wirkt. Schließlich verliert das Rubidiumatom auch noch Energie bei der sogenannten Sisyphoskühlung: Das Teilchen hält sich nämlich bevorzugt an den Schwingungsbäuchen der stehenden Welle auf, die sich im Resonator ausbildet. Dort ist ihre Lageenergie minimal. Wie bei Sisyphos, der sicher auch gerne am Fuße seines schicksalhaften Berges sitzen geblieben wäre.
Und wie dieser immer wieder einen Stein den Berg hoch wälzen musste, schwingt auch ein heißes Atom immer wieder aus seiner bevorzugten Position heraus. Dabei läuft es gegen einen energetischen Berg an und verliert Bewegungsenergie. Diese packt es letztendlich auf die Energie der Photonen, die es abgibt. Auf diese Weise wird das Atom am Ende so kalt, dass seine Bewegung nur noch durch die quantenmechanische Unschärfe bestimmt wird.
Ein Computer so groß wie eine Kleinstadt
In der Quantenkryptografie könnten schon wenige solcher Atome im Resonator zuverlässig Nachrichten übermitteln. Um im Quantencomputer ein Netz aus Tausenden Quantenbits zu knüpfen, ist jedoch noch ein wenig Miniaturisierung nötig. Bislang füllt die Anlage, um ein einzelnes Atom im Resonator zu fangen, ein ganzes Labor – ein Quantencomputer hätte die Größe einer Kleinstadt.
„Ob wir tatsächlich einmal einen Quantencomputer aus Atomen in Resonatoren bauen werden, bleibt abzuwarten“, sagt daher auch Gerhard Rempe: „Aber wir können an einzelnen Atomen viele prinzipielle Untersuchungen machen.“
Stand: 17.11.2006