Asphalt ist billig, relativ strapazierfähig und in großen Mengen verfügbar. Deshalb ist er perfekt geeignet als Belag für unsere Land- und Bundesstraßen und Autobahnen. Als Lebensraum dagegen scheint dieses Material denkbar ungeeignet. Denn es besteht aus einer schwer verdaulichen Mischung von Gesteinen und vor allem Bitumen oder Erdpech – langkettigen Kohlenwasserstoffen mit gebundenem Schwefel, Sauerstoff, Stickstoff und winzigen Spuren von verschiedenen Metallen.
"Trotzdem haben wir jetzt ein ganzes Ökosystem gefunden, dass nicht nur auf Asphalt lebt, sondern sich anscheinend auch von ihm ernährt", beschreibt Bohrmann die Situation an den Asphaltvulkanen in 3.300 Meter Tiefe vor der Küste der mexikanischen Halbinsel Yucatan. Neben ganzen Büscheln von Bartwürmern, gibt es verschiedene Muschelarten, Krebse, sesshafte Korallen- oder schwammartige Gebilde, Fische und vor allem: gewaltige Mengen an Bakterien.
Schon öfter hat man in den letzten 30 Jahren an Schwarzen und Weißen Rauchern oder Süßwasserquellen unterhalb der Meeresoberfläche ähnliche, ebenfalls ungewöhnlich vielfältige Lebensgemeinschaften entdeckt. Da in all diesen Oasen des Lebens Licht absolute Mangelware ist und damit auch keine Photosynthese möglich ist, mussten sich die Organismen hier etwas Besonderes einfallen um zu überleben – die Chemosynthese. Im Gegensatz zu Pflanzen nutzen Bakterien hier keine Sonnenstrahlen, sondern die Energie von Methan oder Schwefelwasserstoff (H2S), um organische Kohlenstoffverbindungen wie Zucker und Eiweiße aufzubauen.
Tausche Zucker gegen sicheres Dach über den Kopf
Die Schwefel- oder Methanfresser bilden so die Grundlage für das gesamte Nahrungsnetz: Denn von den organischen Produkten der Mikroben profitieren nicht nur sie selbst, sondern auch alle anderen Organismen des vor Lebewesen nur so wimmelnden Ökosystems. Manche der Chemosynthese betreibenden Mikroorganismen haben sich sogar in den Eingeweiden und Kiemen von Röhrenwürmern und Muscheln eingenistet. Im Tausch gegen ein sicheres „Dach über dem Kopf“ liefern diese symbiotischen Bakterien ihren Wirten dann Zucker und andere organische Substanzen zur Ernährung frei Haus.
Die ebenfalls auf Chemosynthese beruhenden Lebensgemeinschaften auf den Asphaltvulkanen unterscheiden sich nach ersten Erkenntnissen der Wissenschaftler jedoch grundlegend von denen an Schwarzen Rauchern oder Cold Seeps. Denn wie erste Analysen der Bodenproben aus dem Jahr 2003 ergeben haben, fehlen in den Meter dicken Asphaltschichten die wichtigsten Grundnahrungsmittel der Tiefsee, Methan und Schwefelwasserstoff, fast völlig.
"Welche Verbindungen die Organismen an den Asphalt-Vulkanen genau nutzen, und wie das Geflecht des Lebens in diesem System gewebt ist, müssen wir jetzt herausfinden", sagte Bohrmann kurz nach der Entdeckung der Asphaltvulkane im Jahr 2003. Und sein Kollege MacDonald ergänzte: „Vulkanischer Asphalt als Heimat für Chemosynthese betreibende Lebewesen ist neu für die Wissenschaft. Es müssen mehr Proben genommen werden und wissenschaftliche Analysen durchgeführt werden, um mehr über das Phänomen zu erfahren.“
Stand: 02.11.2006