Dreimal hatte Ferdinand von Richthofen, ein junger Geologe aus Schlesien, im Jahre 1860 Anlauf genommen, um ins unbekannte Zentralasien zu reisen. Dreimal scheiterte das Vorhaben. Erst zettelte der Uiguren-Khan Jakub-Beg zur Unzeit einen Streit gegen die Chinesen an. Dann verpasste von Richthofen sein Schiff von Hongkong nach Russland. Zu guter Letzt vereitelten russische Behörden die Reise von Kamtschatka über den Amur ins Landesinnere.
Auf nach China
Doch acht Jahre nach diesen Fehlversuchen – aus dem frisch promovierten Geologen war inzwischen ein international anerkannter Wissenschaftler geworden – zog es von Richthofen erneut nach Asien. Vor allem China sah er jetzt als „eine Aufgabe von gigantischen Dimensionen“ an, hier wollte er eigene naturwissenschaftliche Studien betreiben.
Finanziert durch die Bank von Kalifornien und die Handelskammer von Shanghai, die sich Informationen über neue Rohstoffvorkommen erhofften, erhielt der Deutsche die Möglichkeit für eine China-Reise und erkundete schließlich zwischen 1868 und 1872 auf sieben Reiserouten dreizehn der damals 18 chinesischen Provinzen.
Berichte von der Seidenstraße
Die Berichte über die Reise, seine detaillierten Beschreibungen von Landschaften und Menschen sollten von Richthofens Lebenswerk werden und ihn zu einem der bekanntesten Forschungsreisenden seiner Zeit machen. Er war es, der den Begriff „Seidenstraße“ prägte. Und er machte eine Entdeckung, die ihn bis heute als einen Geographen ersten Ranges auszeichnet.
Bereits in Europa hatte sich von Richthofen einem besonderen Sediment gewidmet, das vor allem in den Tiefebenen Nord-Mittel-Europas, im Alpenvorland oder nördlich der Karpaten zu finden ist. Das Material: gelblich-brauner, kalkhaltiger, äußerst feinkörniger Staub, der einen porösen, gut durchlüfteten und daher sehr ertragreichen Boden bildet. Bei Regen wird er zu schmierigem Schlamm, bei Trockenheit schon vom leichtesten Windhauch ausgeblasen. Der Name des Sediments: Löss.
Verkannter Staub
Von Richthofen war wie viele seiner Kollegen überzeugt, dass es sich bei Löss um schlammige Ablagerungen von Flüssen handeln müsse. Als der Geologe nach China kam, stieß er auch hier auf das Sediment, jedoch in Größenordnungen, die er sich bis dahin nicht hatte vorstellen können.
Während die ihm bekannten Löss-Vorkommen, beispielsweise am Mittelrheingraben, maximal 30 Meter dick waren, fand von Richthofen in der Nähe des Gelben Flusses ganze Labyrinthe von Schluchten, die sich in ein mächtiges Lössplateau eingeschnitten hatten. Die Sedimentschichten wiesen eine vielfache Dicke europäischer Lösse auf.
Neue Theorie
Aufgrund seiner Beobachtungen in den Wüsten Gobi oder Taklamakan sowie im südlich angrenzenden Kunlun-Shan und auf dem Tibet-Plateau kam er schließlich zu der Erkenntnis, dass der Löss nicht durch Flüsse, sondern durch Wind abgelagert worden sein musste. Nur so hatten sich derartige Mengen des ockerfarbenen Staubs ansammeln können, war sich von Richthofen sicher. Seiner Meinung nach war der Löss in kaltem Klima durch Frostverwitterung aus Steppenboden aufbereitet und nach Osten verweht worden. Wo die Vegetation aus Steppengräsern ein Hindernis bildete, lagerten sich die Staubpartikel ab.
Heute weiß man, dass von Richthofen die Grundzüge der Löss-Genese im Prinzip erkannt hatte, auch wenn sie in manchen Punkten nicht ganz stimmig war. Er gilt noch immer als Begründer der modernen Lössforschung.
Stand: 29.09.2006