Die Afar-Senke in Äthiopien ist das Zentrum eines Netzes aus Bruchgräben. In einer „triple junction“ laufen drei Verwerfungen in der Form eines umgedrehten Ypsilons zusammen. Aus dem Afrikanischen Kontinent läuft von Südwesten das längste und vermutlich älteste Grabensystem auf das Afar-Dreieck zu. Aus Osten kommt der Rücken, der genau in der Mitte des Golfes von Aden liegt. Und nahezu in der Nord-Süd Achse liegt der arabisch-afrikanische Rücken unter dem Roten Meer.
Bereits vor 30 Millionen Jahren begann mit einem Riss in der Erdkruste ein Stück von Afrika abzubrechen: die Arabische Halbinsel. Seitdem schiebt der afrikanisch-arabische Rücken am Grund des Roten Meeres die beiden Platten um fast zwei Zentimeter pro Jahr auseinander. Am nördlichen Ende treibt der Spalt einen Keil in die arabische Landmasse und setzt sich über den Golf von Akaba bis in den Libanon fort.
Ursprünglich nahmen die Wissenschaftler an, dass der östliche Graben im Golf von Aden nur eine Verlängerung des arabischen Rückens wäre. Doch die genauere Erforschung der Afar-Senke zeigte, dass die beiden Bruchkanten, durch einige Verwerfungen verschoben, sich genau dort kreuzen.
Genau unter dem Abbé-See liegt der Scheitelpunkt der drei Bruchstrukturen, die das Gestein auf einem Satellitenfoto wie Muskelfasern durchziehen. Von dort erstreckt sich der Zentralgraben nach Südwesten über Addis Abeba unter einer Kette von kleineren Seen entlang bis kurz vor den Viktoria-See. Das Ypsilon ist komplett.
Die größte Kreuzung des Kontinents
Doch keine 1.500 Kilometer entfernt, liegt dort bereits die nächste „triple-junction“. Nördlich des Victoria-Sees laufen in der wohl größten „Kreuzung“ Afrikas drei Zentralgräben zusammen. Die nördliche Verwerfung teilt sich in den östlichen und westlichen Arm des Ostafrikanischen Grabensystems. Fast sieht es so aus, als ob der Graben von dem See gespaltet wurde. Und tatsächlich: unter dem See liegt ein Pluton, ein Tiefengesteinskörper, der sich im oberen Erdmantel gebildet hat. Der deutsche Geologe Hans Cloos bewies in den 1930er Jahren, dass dieser Milliarden Jahre alte Granitbrocken den Spreizkräften der Erdkruste widerstanden hatte, und den einen Graben in zwei neue Arme ablenkte.
Über Jahrzehnte blieb jedoch die Entstehung der Grabenform ungeklärt. Warum sank die Erdkruste ab? Und warum gab es immer wieder „triple junctions“? Hans Cloos baute seine Untersuchungen der afrikanischen Erdkruste auf die Grundlagenforschungen seiner Vorgänger. 1883 erkannte der deutsche Naturforscher Gustav Fischer, dass sich ein riesiges Talsystem von Kenia bis ins südliche Tansania erstreckte. Der Wiener Eduard Sueß stellte 1891 fest, das die Bruchspalte sogar darüber hinausging: insgesamt knapp 9.000 Kilometer, vom Sambesi bis zum Libanon. Doch erst der schottische Geologe John Walter Gregory bewies 1893 mit einem geologischen Querschnitt des Baringo-Tals in Kenia, dass es sich bei diesem Tal tatsächlich um eine Verwerfung handelte. Seine geologische Kartierung ergab, dass ein Teil der Erdkruste zwischen den Steilwänden abgesunken war.
Lehmkruste und ein Luftballon
Die Formen hatten die Forscher zwar grundlegend untersucht, doch die Frage nach dem Auslöser der Entstehung konnte sich auch nicht klären. Hans Cloos beantwortete gleich mehrere Fragen mit einem einfachen Experiment. Als Erdkruste nahm er eine Schicht feuchten Lehm, die auf einer Ballonhülle lag. Indem er den Ballon aufblies bis sich die Lehm-Haut wie eine Beule spannte, simulierte Cloos die „Aufdomung“ der Kruste: Bevor es zum tatsächlichen Bruch der Kruste kommt, drücken gewaltige Magma-Massen aus dem oberen Erdmantel die Kruste punktuell nach oben.
Daraufhin platzte im Versuch die lehmige Erdkruste nicht einfach auf, sondern es bildeten sich wie im Grabensystem immer zwei Risse parallel zwischen denen ein schmaler Streifen Lehm einsank: ein Grabenbruch. Je genauer Cloos die geschätzten Naturkräfte nachstellte, desto näher lagen seine Ergebnisse an der Realität. Am höchsten Punkt der Aufwölbung bildeten sich genau die Dreifachkreuzungen, die die Geologen in der Natur „triple junction“ nennen. Bis heute gelten daher die Grabenkreuzungen als Merkmal für die pilzartig aufströmenden Magma-Massen aus dem Erdinneren.
Mit modernster Messtechnik bestätigen die Wissenschaftler heute die Ergebnisse dieses fast steinzeitlichen Experiments. Tim Wright und seine Kollegen etwa messen vor allem mit GPS-Daten und Satellitenbildern die Verschiebung der Platten und wie stark sich die Kruste hebt oder senkt. Die deutschen Wissenschaftler vom Geoforschungszentrum Potsdam (GFZ) versuchen zurzeit mithilfe von Messungen der Erdschwere Magmaströme im Erdinneren zu verfolgen. Dadurch konnten sie feststellen, dass einer der geringsten Schwerewerte in der Afar-Senke liegt. Ein untrüglicher Hinweis auf eine extrem dünne Erdkruste, vermutlich die dünnste Stelle weltweit, und auf emporsteigendes Magmamaterial.
Stand: 25.08.2006