Rote Augen und weiße Haare – für viele ist das das klassiche Bild eines Albinos Doch sie sind weder bei allen ausgeprägt, noch die einzigen Merkmale des Albinismus. Seitdem das Krankheitsbild 1908 von Archibald Garrod, einem englischen Physiker, erstmals beschrieben und genetische Mutationen als Ursache benannt wurden,haben auch die Forscher viel dazugelernt.
Mittlerweile weiß man, dass Albinismus eine heterogene Gruppe verschiedener genetischer Defekte umfasst, die sehr unterschiedliche Auswirkungen und Symptome mit sich bringen. Das heißt, zum einen gibt es nicht nur eine Genmutation, die die Störung hervorruft, sondern zahlreiche, zum anderen können die äußerlich erkennbaren Merkmale der Betroffenen ganz unterschiedlich stark ausgeprägt sein.
Fehlender Farbstoff Melanin
Eine Gemeinsamkeit haben jedoch alle Individuen mit dem Gendefekt Albinismus: Der Körper bildet sehr wenig oder gar kein Melanin. Dieses Pigment ist im Prinzip bei allen Lebewesen für die Farbe von Haaren, Augen, Federn oder Haut verantwortlich. Auch bei Mikroorganismen und sogar bei Pflanzen sorgt es für die Farbgebung.
Normalerweise wird das Melanin in der obersten Schicht der Haut, in der Iris und im Haar eingelagert. So werden die Zellkerne der Hautzellen und die darin befindliche DNA, beim Menschen der vom Haar bedeckte Kopf und die Augen vor UV-Strahlen geschützt. Je nach Hauttyp enthält unsere Haut dabei mehr oder weniger des schützenden Pigments. Unabhängig davon kann Melanin auch „je nach Bedarf“ hergestellt werden: Die bei vielen so begehrte Sonnenbräune ist daher im Prinzip nichts anderes als eine Art „Notwehr“ der Haut gegen die Sonne.
Keine roten Augen!
Bei Albinismus ist die Produktion des wertvollen Melanins blockiert, es entsteht nur sehr wenig oder gar kein Pigment. Haut und Haare erscheinen dadurch sehr hell oder gar weiß. Ein weitläufiger Irrtum ist, Albinos hätten rote Augen. Das ist falsch. Die Iris von Albinos, egal ob Mensch oder Tier, ist blau, manchmal auch blau-grau oder grün-braun. Rot erscheinen die Augen nur, wenn Licht in einem bestimmten Winkel ins Auge fällt und durch die Pigmentarmut die Blutbahnen im Auge „ausgeleuchtet“ werden – exakt der gleiche Effekt tritt bei normal Pigmentierten durch das Blitzlicht von Fotokameras auf. Der Rückschluss „Das ist kein Albino, weil dieser Mensch oder dieses Tier keine roten Augen hat“ ist deshalb ebenfalls ein Irrtum.
Dr. Barbara Käsmann-Kellner, Professorin an der Universitäts-Augenklinik Homburg, weiß, wie vielschichtig die Erscheinungsformen des Albinismus sein können. Sie hat sich auf Albinismusforschung spezialisiert und räumt ein: „Selbst Ärzte haben oft nur das Schema des Weißhaarigen vor Augen und übersehen die Krankheit, wenn Betroffene von diesem Schema abweichen.“
Käsmann-Kellner selbst hat bisher über 400 Patienten mit Albinismus untersucht. „Etwa 4.500“, so schätzt sie, „gibt es insgesamt in Deutschland. Ein Mensch unter 18.000 ist hier betroffen“.
Breites Spektrum
Ein Drittel der Albinisten leidet unter dem so genannten okulokutanen Albinismus, kurz OCA. Hier sind sowohl Augen als auch Haut und Haare vom Pigmentmangel betroffen. Doch die Bandbreite dieser Albinismusform reicht von völlig weißen bis hin zu normal pigmentierten, dunkelblonden Haaren, von fast farbloser hin zu bräunungsfähiger Haut inklusive Sommersprossen, von hellgrauen bis zu grünen Augen – je nachdem, ob nur zu wenig oder aber überhaupt kein Melanin gebildet werden kann.
Doch es gibt auch Fälle, bei denen sich der Melaninmangel nur auf die Augen auswirkt, den so genannten okulären Albinismus, OA. Die Augen dieser Menschen sind ebenfalls nicht rot, sondern blau, grau, grün oder braun, und durchleuchtbar. Daher können sie bei bestimmtem Licht rot erscheinen.. Im Gegensatz zum okulokutanen Albinismus unterscheiden sich aber Haut und Haare der Betroffenen durch nichts von denen normal Pigmentierter.
Stand: 26.05.2006