3. August 1492, Palos de la Frontera, Spanien: Drei Schiffe liegen im Hafen der Kleinstadt bei Huelva vor Anker und warten auf das Auslaufen. Gerade mal 23 Meter lang ist das Flaggschiff der Flotte von Christoph Kolumbus, die „Santa Maria“, noch kleiner sind die Karavellen Nina und Pinta. Dennoch haben sie Großes vor.
Über den Atlantik sollen sie fahren, um den begehrten Seeweg nach Indien und China zu finden, wo angeblich Unmengen an Gewürzen, Gold und Edelsteinen auf die Seefahrer warten. So hat es jedenfalls der berühmte Forschungsreisende Marco Polo berichtet, der rund 200 Jahre zuvor auf dem Landweg dorthin gereist war. Und viele andere Händler und Entdecker nach ihm haben seine Aussagen bestätigt.
Ein Traum geht in Erfüllung
Für den 41-jährigen Kolumbus geht mit der bevorstehenden Expedition ein Traum in Erfüllung. Schon seit Jahren hat er die Vision von Europa aus Richtung Westen zu segeln, wo er die Schatzkammern Asiens vermutet. Dass dort Land sein muss, steht für ihn außer Frage. Zu dieser Einschätzung ist er durch das Studium von Reiseberichten anderer Seefahrern und alten Überlieferungen gelangt. Und hatte nicht auch bereits Aristoteles vermutet, dass man von Gibraltar aus nur wenige Tage braucht, um über das große Wasser zu reisen und nach Asien zu gelangen?
Er muss auch keine Angst davor haben, dass der Ozean plötzlich irgendwo zu Ende ist und die Schiffe mit Mann und Maus ins Nichts stürzen. Denn dass die Erde keine Scheibe ist, sondern eine Kugel, hat zwar noch niemand endgültig bewiesen, dies gilt aber unter Seefahrern und Wissenschaftlern längst als sicher. Nur die Kirche sperrt sich noch, dies anzuerkennen.
Jetzt, wo es endgültig losgehen soll mit der Reise, blickt Kolumbus auf einen steinigen Weg zurück. Denn jahrelang hat niemand seiner Idee so Recht glauben geschenkt. Und gar eine teure Expedition auszurüsten und auf den Weg zu schicken, kam den Regenten in Portugal, England oder Frankreich, wo er um Unterstützung warb, überhaupt nicht in den Sinn.
Auf der Suche nach Sponsoren
Dies hat viele Gründe. König Johann der II. von Portugal und die von ihm konsultierten Experten beispielsweise halten Kolumbus Berechnungen über die Reisestrecke von den Kanaren bis nach Asien für falsch. Kolumbus, der seit 1477 in Lissabon lebt, schätzt sie lediglich auf knapp 5.000 Kilometer. Stimmt dies, sollte die Distanz mit den modernen Schiffen tatsächlich zu bewältigen sein.
Aber dem portugiesischen Staatsoberhaupt ist das zu unsicher und er verfolgt zudem längst einen anderen Plan. Er will auf dem östlichen Seeweg nach Indien und China gelangen. Seit Jahren sind seine Seefahrer entlang des afrikanischen Kontinents immer weiter nach Süden vorgedrungen und 1487 gelingt es Bartolomeu Diaz sogar die Südspitze Afrikas, das Kap der Guten Hoffnung, zu umsegeln. Damit könnte der Weg frei sein für Portugal nach Asien. Der Aufstieg des Landes zur wichtigsten Handelsmacht Europas auf den Meeren der Welt scheint nur noch eine Frage der Zeit. Warum dann ein Risiko eingehen und auf Kolumbus setzen?
Bruderkampf um die Vorherrschaft auf dem Meer
Die aufstrebende neue Supermacht Portugal ist letztlich dann aber der Grund dafür, dass Kolumbus schließlich doch noch einen Gönner findet – Spanien. Königin Isabella und König Ferdinand waren lange Jahre mit einem Krieg gegen die Mauren beschäftigt, die große Teile des Landes in ihren Besitz gebracht hatten. Doch jetzt sind die Araber besiegt und vertrieben. Da bleibt Zeit für andere Dinge und die Erfolge des Nachbarn Portugal auf dem Meer sind ihnen ein Dorn im Auge.
Deshalb interessiert sich das Königspaar plötzlich auf einmal sehr für den Plan von Kolumbus. Zuvor hatte man ihn nach seiner Immigration nach Spanien im Jahr 1485 zwar immer wieder empfangen und angehört, aber dann hingehalten und auf später vertröstet.
Obwohl auch spanische Experten an den von Kolumbus errechneten Reisedistanzen zweifeln, entschließen sich Isabella und Ferdinand zu Beginn des Jahres 1492 eine Expedition unter seinem Kommando auszurüsten. Die Verhandlungen zwischen dem Königspaar und dem erfahrenen Seefahrer drohen dennoch im letzten Moment zu scheitern, weil die Forderungen, die Kolumbus stellt, sehr hoch sind.
Admiral des Ozeans will er werden und Vizekönig in allen von ihm für Spanien neu entdeckten Regionen jenseits des großen Teichs. Darüber hinaus beansprucht er noch zehn Prozent vom Gewinn durch die Edelmetalle und anderen Reichtümer, die er in Asien zu finden gedenkt. Isabella und Ferdinand akzeptieren aber schließlich doch zähneknirschend seine Bedingungen und besiegeln die Vereinbarungen mit ihm in einem Vertrag. Der Weg für Kolumbus ist endlich frei.
Stand: 19.05.2006