„Der Amerikaner, der den Columbus zuerst entdeckte, machte eine böse Entdeckung“ schreibt Georg Christoph Lichtenberg in seinen Sudelbüchern, die zwischen 1765 und 1799 entstanden sind. Der Professor für Experimentalphysik und Naturwissenschaften in Göttingen notierte in seinen Heften, seine täglichen Einfälle und Beobachtungen und schuf so im Laufe der Zeit die berühmteste Aphorismensammlung der deutschen Literatur.
Lichtenbergs Einschätzung von Kolumbus ist zwar despektierlich, aber durchaus nicht unbegründet. Sie wird von vielen Historikern und Amerikaforschern geteilt – zumindest aus heutiger Sicht. Denn für die Indianer Mittelamerikas und später auch des Rests der neuen Welt begann mit der Ankunft von Kolumbus und seinen Männern ein Überlebenskampf, der in den ersten 100 Jahren der spanischen Herrschaft in Amerika vermutlich fast 70 Millionen Menschen das Leben kostete.
Verantwortlich dafür waren unter anderem Hernan Cortez, der 1521 das Reich der Azteken in Mexiko eroberte, Franzisco Pizarro mit der Zerschlagung des Inka-Staates 1531 und: Christoph Kolumbus. Denn schon in seiner Zeit als Vizekönig und Generalbevollmächtigter Spaniens in Westindien begann der Völkermord an den Einheimischen.
Die Spanier um Kolumbus trieb auf ihren Expeditionen in unbekannte Gebiete weniger der Entdeckerdrang oder die Suche nach neuen „Schäfchen für die Herde Gottes“, sondern oft eher die Gier nach Macht und Reichtum. So hatte Kolumbus laut Vertrag mit seinen Auftraggebern, dem spanischen Königspaar Ferdinand V. und Isabella I., die Aufgabe möglichst viele wertvolle Edelmetalle zu finden und mit nach Spanien zu bringen.
Gier nach Gold
Dementsprechend rücksichtslos gingen die Spanier von Beginn an zu Werke. Obwohl Ferdinand und Isabella ausdrücklich eine gute Behandlung der Indianer als zukünftige Christen gefordert hatten, hielt sich kaum jemand an diese Auflage. Spanien war weit und wer sollte schon als Richter auftreten.
Darüberhinaus führte Kolumbus ein Regel und Abgabensystem für die neuen Kolonien Spaniens ein. Die Indianer auf Hispaniola mussten beispielsweise in regelmäßigen Abständen Gold abliefern, ansonsten wurden sie versklavt, ausgebeutet, misshandelt oder gar auf den Scheiterhaufen geschickt.
Schon unter der Herrschaft von Kolumbus wurden zudem immer wieder einheimische Frauen von den Spaniern aus den Dörfern der Indios entführt und vergewaltigt, Aufstände schlugen die Spanier brutal nieder. Landraub und Strafaktionen waren an der Tagesordnung. Selbst für geringe Vergehen gegen die Obrigkeit gab es schwere Strafen wie das Abschlagen von Händen.
Eingeschleppte Krankheiten taten ein Übriges dazu, dass die Ureinwohner der Karibik innerhalb von wenigen Jahrzehnten nahezu ausgerottet wurden. Mehrere hundertausend Tainos gab es beispielsweise vor der Ankunft von Kolumbus im Jahr 1492 allein auf der Insel Hispaniola – wenige Jahre später waren nur noch wenige davon übrig.
„Wir können hier als eine gewisse und wahrhafte Tatsache anführen, dass in obgedachten vierzig Jahren durch das erwähnte tyrannische und teuflische Verfahren der Christen, mehr als zwölf Millionen Männer, Weiber und Kinder auf die ruchloseste und grausamste Art zur Schlachtbank geführt wurden und wir würden in der Tat nicht irren, wenn wir die Anzahl derselben auf fünfzehn Millionen angäben,“ zieht der Dominikaner-Mönch Bartolome de las Casas in seinem „Bericht von der Verwüstung der Westindischen Länder“ aus dem Jahr 1552 eine Bilanz von 60 Jahren weißer Herrschaft in der Karibik.
Stand: 19.05.2006