Dass die Gletscher am Kilimandscharo schmelzen, ist für alle Wissenschaftler mittlerweile klar. Warum dies jedoch so ist, darüber streiten die Klimaforscher bis heute umso heftiger. Auf der einen Seite stehen die Experten um Lonnie Thompson von der Ohio State Universität. Für sie gibt es eine eindeutige Ursache: Nur die Globale Erwärmung kann daran Schuld sein, dass die Eiskappen schwinden und vermutlich schon bald nur noch nackter Fels den Gipfel zieren wird.
„Wir haben schon länger vorhergesagt, dass die ersten Zeichen von Veränderungen durch die globale Erwärmung an den hochgelegenen fragilen Eiskappen und Gletschern in den Tropen auftauchen werden. Unsere Ergebnisse bestätigen nun diese Prognosen.“, so Thompson im Jahr 2001 auf dem Jahrestreffen der American Association for the Advancement of Science in San Francisco.
Auf der anderen Seite stehen Forscher wie die Klimaforscher Euan Nisbet von der Royal-Holloway-Universität in London und Professor Georg Kaser mit seiner Tropical Glaciology Group des Instituts für Geographie der Universität Innsbruck. Die Experten für tropische Gletscher haben eine ganz andere Erklärung für das Schwinden der Giganten: Die Eisfelder „verhungern“, sie trocknen aus. Schuld daran ist aus ihrer Sicht ein Mangel an „Nachschub“ für die Eisbildung. Denn Wissenschaftler haben seit einiger Zeit deutlich sinkende Niederschläge in der Gipfelregion festgestellt.
Klimarätsel am Kilimandscharo
Doch noch weiß man viel zu wenig über die lokalen Klimabedingungen am „weißen Berg“ wie ihn die Einwohner der Region nennen, um ein abschließendes Urteil in dieser Frage fällen zu können. Kaser und sein Team suchen deshalb zusammen mit Kollegen der Universität von Massachusetts nach Beweisen für ihre Theorie. Sie wollen mehr über das Wetter am Vulkanberg herausfinden und die ermittelten Daten dann mit dem Klima des Großraums der Tropen in Zusammenhang bringen.
Um an die notwendigen Daten zu kommen, haben Kaser & Co mittlerweile drei automatisch arbeitende Wetterstationen in der Gipfelregion des Kibo installiert. Die erste davon tut schon seit Februar 2000 in kapp 5.800 Meter Höhe an einem der größeren Gletscher des Kilimandscharo, dem so genannten nördlichen Eisfeld, ihren Dienst.
Die Stationen registrieren Werte wie Lufttemperatur und -feuchte, Windgeschwindigkeit und – richtung, aber auch andere Parameter wie beispielsweise kurz- und langwellige Strahlungsflüsse. „Alle Daten werden auf einem Datenlogger gespeichert und müssen nach einer gewissen Zeit auf eine externe Festplatte übertragen werden“, erklärt Nicolas Cullen, der an dem Projekt mitarbeitet.
Die so gesammelten und archivierten Wetter- und Klimainformationen fließen anschließend in ein Atmosphärenmodell ein. Erste Simulationen haben nun gezeigt, dass vor allem zwei Parameter darüber entscheiden, ob die Gletscher wachsen oder abschmelzen: die Menge und die Häufigkeit der Niederschläge und die Anlieferung von Luftfeuchtigkeit vom Indischen Ozean. Steigende Temperaturen und damit die globale Erwärmung haben nach den Ergebnissen von Kaser kaum Bedeutung für das Tauwetter am Kilimandscharo.
Weniger Bäume, geringe Luftfeuchtigkeit, kaum Schneefälle
„Dabei haben wir herausgefunden, dass für den Gletscherrückgang auf dem Gipfelplateau des Kilimandscharo – im Gegensatz etwa zu den Alpen – nicht die im Zuge der globalen Klimaveränderung gestiegene Lufttemperatur, sondern die aus der direkten Sonneneinstrahlung absorbierte Energie hauptveranwortlich ist“, so der Glaziologe Thomas Mölg aus dem Team von Kaser im Online-Angebot des österreichischen Fernsehsenders ORF. Und weiter: „Es mangelt am Kilimandscharo momentan am Niederschlag. Aus diesem Grund ziehen sich die Gletscher kontinuierlich zurück.“
Schuld an dieser Situation ist nach Ansicht der Wissenschaftler vermutlich das zum großen Teil illegale Abholzen des Tropischen Regenwaldes an den Hängen des Vulkanbergs. Durch das Fehlen der Bäume kann in den Regenzeiten weniger Wasser gespeichert und später über die Verdunstung wieder abgegeben werden. Die Folge: Die Luft wird trockener. Damit sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass sich Wolken bilden, die am Gipfel für den dringend benötigten Nachschub an Schnee sorgen könnten.
Stand: 13.04.2006