Der Finne Hendrik Jakob Wikar war es, der dem nächsten Abstecher auf unserer Südafrika-Rundreise im Jahr 1778 seinen Namen gegeben hat: den Augrabies-Wasserfällen. Die Bezeichnung beruht auf einem Wort aus der Sprache des San-Volkes. „Aukoerebis“ bedeutet so viel wie „Platz des tosenden Lärms“. Und das ist durchaus wörtlich zu nehmen.
Wasserspektakel in mondähnlicher Landschaft
Denn der Oranje-Fluss, eine der Lebensadern Südafrikas, stürzt hier auf einer Breite von bis zu 153 Metern in seiner Hauptkaskade fast 60 Meter in die Tiefe. Ihrem Namen alle Ehre machen die Augrabies-Wasserfälle vor allem im Spätsommer, wenn der Oranje Hochwasser führt. Dann entstehen wie von Geisterhand nicht nur bis zu 20 kleinere Extrawasserfälle, es bildet sich auch gewaltiger Sprühnebel, der die Luft erfüllt – ein Naturschauspiel der besonderen Art in einer sonst eher kargen und mondähnlichen Landschaft.
Zu einer Touristenattraktion machen diesen Ort aber nicht nur die Wasserfälle, sondern auch die 240 Meter tiefe und 18 Kilometer lange Schlucht, die der Fluss im Laufe der letzten 500 Millionen in den harten Granituntergrund gegraben hat. Die Augrabies-Wasserfälle sind zudem Teil eines Nationalparks, in dem es nicht nur Tiere wie Nashörner, Giraffen oder Klippschliefer zu bewundern gibt, sondern auch eine einzigartige Pflanzenwelt. Dazu gehören unter anderem exotische Köcherbäume oder Sukkulenten. Der Köcherbaum trägt seinen Namen, weil die San seine Äste aushöhlten und anschließend als Pfeilköcher nutzten.
Vater der Namib
Der Oranje speist die Augrabies-Wasserfälle, er gilt jedoch zudem als „Vater der Namibwüste“. Denn er transportiert gewaltige Mengen an Sand in den Atlantik. Von Meeresströmungen und Winden getrieben, gelangt dieser anschließend wieder an Land und stellt dort die Grundlage für die Dünenbildung dar.
Dantes Inferno vor zwei Milliarden Jahren
Wir reisen von den Augrabies-Wasserfällen weiter Richtung Nordosten in die südafrikanische Freistaat-Provinz. Hohe Berge, anmutige, grüne Täler und ein idyllischer Fluss, der Vaal, der sich durch die Landschaft schlängelt: Rund 120 Kilometer südwestlich von Johannesburg deutet auf den ersten Blick nicht mehr viel auf die gewaltige Katastrophe hin, die sich dort vor rund zwei Milliarden Jahre ereigneten. Damals drang ein Meteorit mit rund zehn Kilometern Durchmesser in die Erdatmosphäre ein und bohrte sich wenig später mit einer Geschwindigkeit von 11 bis 70 Kilometern pro Sekunde tief in die Erdkruste ein – und explodierte.
Die Folgen waren dramatisch. Geschmolzenes Gestein und Trümmer wurden Kilometer-hoch in die Atmosphäre geschleudert und regneten später in weitem Umkreis wieder vom Himmel. Auf diese Weise entstand in kürzester Zeit eine gewaltige „Delle“ in der Erdkruste, die zunächst eine Tiefe von 40 und einen Durchmesser von 100 Kilometern hatte. Doch die Ränder des so genannten Vredefort-Kraters stürzten rasch ein und es bildete sich schließlich eine gigantische Impaktstruktur mit drei konzentrischen Kreisen, die nach Ansicht von Geowissenschaftlern größer war als Nordrhein-Westfalen. Durch den Einschlag und die daraus resultierenden gigantischen Staubwolken wurde nicht nur die Landschaft vor Ort verwüstet, sondern vermutlich auch das Klima, die Lebensbedingungen und das Evolutionsgeschehen auf der ganzen Erde verändert.
Der älteste Meteoritenkrater der Welt
Der Vredefort-Krater ist in den letzten zwei Milliarden Jahren durch Wind, Regen und Frost stark verwittert und nur noch aus dem Flugzeug oder etwa von der Internationalen Raumstation – zumindest in Teilen – zu erkennen. Trotzdem hat ihn die UNESCO im Jahr 2005 in seine Welterbeliste aufgenommen. Grund: „Der Vredefort-Dom ist der älteste, größte und am stärksten erodierte komplexe Meteoritenkrater der Welt. Er ist der Ort der stärksten bekannten einzelnen Energiefreisetzung (…durch einen Einschlag).“ Würde man das komplette Arsenal an Atomwaffen auf der Erde auf einen Schlag in die Luft sprengen, wäre die daraus resultierende Explosion nur ein schwacher Abklatsch dessen, was in Vredefort passierte.
Dieter Lohmann
Stand: 21.05.2010