Welche Anforderungen stellt der Kraftwerksprozess an die Membranen bezüglich thermischer, mechanischer und chemischer Belastbarkeit? Wie lassen sich Membranen und zusätzliche Prozessschritte zur Abscheidung effizient in den Kraftwerksprozess integrieren? Welche Anforderungen müssen Membranen erfüllen, wenn sie zukünftig erfolgreich zur CO2-Abscheidung eingesetzt werden sollen?
Dies sind die Leitfragen, mit denen sich die Bochumer Ingenieure befassen. Denn ihre Ergebnisse liefern den Forschern des MEMBRAIN-Projekts wertvolle Hilfen, die ihrerseits verschiedene Membrantypen und entwickeln Membranmaterialien auf Keramik-, Metall- oder Polymerbasis speziell für die CO2- Abscheidung im Kraftwerksprozess untersuchen und entwickeln.
Simulationssoftware spielt Szenarien durch
Um die Fragen beantworten zu können, haben die Ingenieure mit Hilfe einer Simulationssoftware für Kraftwerksprozesse ein Kohlevergasungskraftwerk vollständig abgebildet: Dazu gehören alle relevanten Komponenten wie Kohlevergasung, Gasreinigungsuntereinheiten, Luftzerlegungsanlage, Abhitzedampfkessel und Gasturbine bis hin zu einzelnen Wärmetauschern – bestehend aus mehreren hundert Verschaltungen und knapp 100 Untereinheiten. Eine solche Software berechnet, wie sich Stoff- und Energieströme innerhalb des Systems verändern, und bildet Bauteil für Bauteil den gesamten Kraftwerksprozess ab.
Membranfläche Zelle für Zelle
Ein speziell für die Membransimulation entwickeltes Modell wurde über vorgefertigte Schnittstellen in die Simulationssoftware integriert. Für die in viele einzelne Zellen zerlegte Membranfläche kann nun Zelle für Zelle berechnet werden, wie die CO2- und H2-Moleküle durch die aktive Trennschicht strömen. Das LEAT-Team kann damit schrittweise Zusammensetzung, Druck und Temperatur der Ausgangsströme in Abhängigkeit von Eigenschaften und Aufbau der Membran überprüfen: Was passiert etwa, wenn die Membran zehn Prozent kleiner oder größer ist, die Permeabilität für Wasserstoff um 20 Prozent oder die Temperatur um 100 Grad erhöht wird?
Mit den Daten der Membran-Entwickler im Forschungszentrum Jülich und den anderen Mitgliedern der Helmholtz Allianz simulieren die Bochumer Ingenieure, wie sich eine CO2-Abscheidung mittels Membranen auf den Kraftwerksprozess auswirkt. Sie spielen verschiedene Möglichkeiten der Integration von Membranen durch und identifizieren die Favoriten. Die gewonnenen Erkenntnisse geben sie an ihre Kooperationspartner zurück, die dieses Wissen wiederum in die Entwicklung der Membranmaterialien einfließen lassen.
Hohe Abscheidung verschlechtert Reinheit
So ergaben etwa Simulationsrechnungen für CO2- selektive Polymermembranen mit niedriger Selektivität, dass sich bei hohen Abscheidegraden von über 80 Prozent die Reinheit des CO2-Stroms auf unter 80 Prozent verringert. Mit Hilfe von Parametervariationen müssen die Forscher nun die Selektivitätswerte der Membran ermitteln, die eine gewünschte Reinheit erzeugen und noch für ein Ansteigen der CO2-Abscheideraten ausreichen. Auf Basis dieser Werte können dann ihre Kollegen neue Membrantypen entwickeln. Auch bei den H2-selektiven Polymermembranen hat die Selektivität der Membranen einen starken Einfluss auf die Abscheideleistung des CO2-Stroms und die erreichbaren Reinheiten.
Für die Abscheidungsleistung haben heutige Keramikmembranen einen Flächenbedarf von über 100.000 Quadratmetern. Geeignete, möglichst Platz sparende Geometrien müssen dafür noch entwickelt werden. Daneben liegt der Fokus der Forschung auf der weiteren Senkung der Wirkungsgradverluste etwa durch neue Membrankonzepte oder durch die Verbindung von CO2-Abtrennung und CO-Shift-Reaktion zu einem Prozess.
Viktor Scherer, Johannes Franz / aus RUBIN (Ruhr-Universität Bochum)
Stand: 14.05.2010