Die Forschungen am Inyltschek-Gletscher haben durchaus nicht nur wissenschaftlichen, sondern auch praktischen Wert. Im Tien-Shan und im südlich gelegenen Pamir-Gebirge lagern zusammen etwa 90 Prozent aller Wasserreserven Zentralasiens. Kirgistan und das südliche Nachbarland Tadschikistan sind die beiden Länder an den Oberläufen der wichtigsten Flüsse, die von hier aus auch die Länder Afghanistan, Usbekistan, Turkmenistan, Kasachstan und China ganz oder teilweise mit Wasser versorgen.
Wasser im Sommer oder im Winter?
Seitdem die ehemaligen Sowjetrepubliken in Zentralasien unabhängig und damit auch wirtschaftlich selbstständig wurden, haben sich die Konflikte um die Wassernutzung verschärft. Usbekistan, Kasachstan und Turkmenistan, die Länder an den Unterläufen der Flüsse, werfen Kirgistan und Tadschikistan vor, das Wasser auf ihre Kosten für sich abzuzapfen. Die beiden Länder sind jedoch gleichzeitig die ärmsten und ressourcenärmsten Zentralasiens. Wasser ist für sie die einzige Möglichkeit, überhaupt selbst Strom aus zu erzeugen. Vorkommen an fossilen Energieträgern wie Kohle, Erdöl oder Erdgas haben sie so gut wie keine, einen Markt für erneuerbare Energien gibt es nicht.
Den Strom brauchen Kirgistan und Tadschikistan vorwiegend im Winter, während die anderen Länder im Sommer ihre Felder bewässern wollen. So lassen die beiden Hochgebirgesländer vorwiegend in der kalten Jahreszeit das Wasser aus den großen Talsperren in den Bergen ab, um Strom zu gewinnen. Und genau das ist den anderen Ländern ein Dorn im Auge: Sie sehen sich dadurch benachteiligt und argumentieren, im Sommer zu wenig Wasser zur Verfügung zu haben.
Neuer Spieler auf dem Plan
Bisher spielten in diesem Konflikt die fünf zentralasiatischen GUS-Republiken eine Hauptrolle. Doch zunehmend meldet auch China Interesse anden Wasserressourcen des Tien-Shan und des Pamir an. Die Umsiedlungsprogramme des Landes, bei denen mehrere zehntausend Menschen in den bisher relativ dünn besiedelten Westen der Provinz Xinjiang umziehen sollen, haben gravierende Folgen. So brauchen die Menschen dort nicht nur Wasser für die Landwirtschaft, sondern auch Elektrizität.
Stand: 30.10.2009