Der Merkur gehört zu den am wenigsten erforschten Planeten unseres Sonnensystems – und das, obwohl er dank seiner extremen Stellung als „Innenläufer“ einiges an wertvollen Hinweisen über dieses und die Entwicklung der Gesteinsplaneten liefern könnte. Doch wenn es um ihn geht, häufen sich die Hypothesen und Theorien, dominieren Formulierungen mit „vielleicht“ und „möglicherweise“.
Schuld daran ist seine Position. Seine Sonnennähe verhindert effektiv sowohl die Beobachtung aus der Ferne wie auch aus der Nähe – bisher jedenfalls. Denn wer auch immer den Merkur von der Erde aus beobachten will, muss fast genau in die Sonne blicken. Für die modernen Teleskope und ihre empfindlichen Optiken wäre dies das sichere Aus. Die intensive Strahlung und die geladenen Teilchen des Sonnenwinds hindern selbst das Weltraumteleskop Hubble, das ansonsten nahezu alle Regionen des Alls durchforstet hat, in diese Richtung zu schauen.
Tödliche Strahlung…
Und auch über häufigen Besuch kann sich der kleinste Planet des Sonnensystems nicht gerade beklagen. Ganz im Gegenteil: Einzig die Sonde Mariner 10 kam überhaupt in seine Nähe und passierte ihn zwischen 1974 und 1975 drei Mal. Von ihr stammen auch die einzigen Aufnahmen von Teilen seiner Oberfläche und zumindest einige rudimentäre Daten über seine Eigenschaften.
Für Sonden auf dem Weg zum Merkur gibt es gleich zwei große Schwierigkeiten zu überwinden: Zum einen sind die Bedingungen alles andere als freundlich: Die Sonne sorgt für Temperaturen von gut 400°C und Strahlung in fast allen Wellenbereichen. Sie wäre nicht nur für Menschen absolut tödlich sondern lässt auch jede sensible Elektronik verschmoren, wenn diese nicht gut abgeschirmt wird.
…und fatale Anziehung durch die Sonne
Das zweite Problem ist die Anziehungskraft der Sonne: Sie erleichtert zwar den Flug in ihre Richtung, beschleunigt ihn aber auch stark. Die Sonde wird daher viel zu schnell, um in einen sicheren Orbit um den Merkur einschwenken zu können. Weil der Planet zudem keine nennenswerte Atmosphäre besitzt, scheidet ein „Aerobraking“, das Bremsen mittels Luftwiderstand, wie es beispielsweise Orbitersonden am Mars nutzen, leider aus. Der Merkur ist damit nahezu „uneinnehmbar“.
Oder doch nicht? Während Mariner 10 quasi „resignierte“ und sich auf Vorbeiflüge beschränkte, haben sich die Ingenieure der NASA für ihre aktuelle Raumsonde Messenger eine neue Taktik ausgedacht, eine Flugbahn mit „Steuerschleifen“. Gleich sechs Mal nutzte Messenger seit ihrem Start im August 2004 „Swing-By“-Manöver, Umkreisungen von Erde, Venus und Merkur, um sich allmählich auf die richtige Bahn einzuschwingen.
„Durchhangeln“ bis zur Umlaufbahn
Langsamer wird die Sonde dadurch nicht gerade: Nach ihrem zweiten Merkur-Vorbeiflug im Oktober 2008 schrammte sie sogar knapp am absoluten Geschwindigkeitsrekord der Raumfahrt von 241.000 Kilometern pro Stunde vorbei. Dafür aber hangelt sie sich allmählich in eine immer enger werdende Kreisbahn, die sie auf parallelen Kurs zum Merkur bringt. Im März 2011 stimmen dann endlich Richtung und Geschwindigkeit um in den Orbit um den Planeten einzuschwenken.
Obwohl die Entfernung zwischen Erde und Merkur im günstigsten Fall nur knapp 80 Millionen Kilometer beträgt, hat Messenger für ihren Weg dann genau so lange gebraucht wie die Saturnsonde Cassini zu ihrem immerhin 1,4 Milliarden Kilometer entfernten Ziel: sieben Jahre.
Nadja Podbregar
Stand: 02.10.2009