Vorsichtig hebt Professor Dr. Karlheinz Bock die dünne, durchsichtige Folie hoch und hält sie gegen das Licht. Feine goldene und blaue Linien zieren das DIN-A-4-große Blatt. Im Gegenlicht sind winzige gedruckte Schaltkreise zu erkennen. Die filigranen Strukturen sehen fast wie kleine moderne Kunstwerke aus. Doch bei den feinen Gebilden handelt es sich nicht um künstlerische, sondern um technologische Meisterwerke.
Diagnosesystem für Venen-Thrombose
„Das ist ein Diagnosesystem für die Venen-Thrombose“, verrät der Leiter der Abteilung „Polytronische Systeme“ am Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration IZM in München und deutet auf eine zierliche rechteckige Struktur. „Mit dem System lassen sich die Blutgerinnungsmarker bestimmen. Sind die Werte erhöht, kann dies ein Hinweis auf eine tiefe Beinvenenthrombose sein“, erläutert der Wissenschaftler.
Jährlich erkranken in Deutschland etwa 80.000 Menschen an dem Verschluss eines Blutgefäßes durch ein Blutgerinnsel. Solche Thromben können eine Lungenembolie oder einen Schlaganfall auslösen. Von der tiefen Beinvenenthrombose sind manchmal auch Passagiere von Langstreckenflügen betroffen.
Ein Tropfen Blut reicht
Mit dem neuen System ließe sich künftig einfach untersuchen, ob ein Verdacht auf eine Reisethrombose vorliegt oder nicht. Der Fluggast müsste nur einen Tropfen Blut auf das Messgerät geben, und schon würde es analysiert. Die Besonderheit des winzigen Lab-on-Chip: Das System ist aus Kunststoff aufgebaut und lässt sich kostengünstig auf Folie herstellen. Damit wäre es möglich, preiswerte Einweg-Diagnosesysteme zu fertigen.
Noch sind solche kleinen Analysesysteme Zukunftsmusik. Aber in dem EU-Projekt „diagnosing dvt“ entwickeln Forscher aus acht europäischen Ländern wichtige Grundlagen für das Labor auf dem Chip aus Plastik.
Große Stückzahlen zu kleinen Preisen
„Das Beispiel macht die Möglichkeiten der Polytronik deutlich. Eine am Menschen orientierte vernetzte Welt, Stichwort „Ambient Assisted Living“, braucht preiswerte, multifunktionale, allgegenwärtige Systeme. Um die dafür erforderliche Infrastruktur aufzubauen, müssen sich elektronische Systeme in großen Stückzahlen kostengünstig auf großen Substraten fertigen lassen. Und das wäre mit der Polymerelektronik möglich“, betont Bock.
Ein großer Vorteil ist die einfache und kostengünstige Herstellung: Die Polymermaterialien lassen sich lösen und dann wie elektronische Tinte durch Druckverfahren strukturiert auf flexible Folien aufbringen. Für die Fertigung werden in Zukunft weder komplizierte Hochtemperatur- bzw. Vakuumprozesse noch aufwändige Lithographietechnik gebraucht. Der gesamte Herstellprozess einer integrierten Schaltung aus Polymerelektronik läuft quasi-kontinuierlich in kurzer Zeit ab, ähnlich wie beim Zeitungsdruck.
Birgit Niesing / Fraunhofer-Magazin „weiter.vorn“
Stand: 21.08.2009