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Ein Netzwerk von Antarktis-Seen

Einfluss auf Klima und Meeresspiegel

Lake Wostok, Sowetskaja und 90 Grad Ost (90°E Lake) © Michael Studinger / Lamont-Doherty Earth Observatory

Sie heißen Lake Ellsworth, Sowetskaja oder schlicht 90 Grad Ost und haben zumindest eines gemeinsam: Sie alle liegen wie der Wostok-See versteckt unter dem ewigen Eis der Antarktis. Mittlerweile ist es Wissenschaftlern gelungen, über 150 solcher Gewässer aufzuspüren – bis jetzt. Denn vermutlich gibt es noch viel mehr davon.

„Dies ist nicht die endgültige Zahl, die hier entdeckt wird“, ist sich beispielsweise Martin Siegert von der Universität in Bristol in England sicher. „Es gibt noch riesige Gebiete, die umfassend untersucht werden müssen und dabei können die Zahlen nur eins tun – weiter steigen. Ich würde schätzen, dass dort 300, 400, vielleicht sogar 500 Seen existieren.“

Seen beschleunigen Eiswanderung

Die letzten vier Neuentdeckungen im Jahr 2007 gehen auf das Konto von Michael Studinger und Robin Bell vom Lamont-Doherty Earth Observatory der Columbia Universität in New York. Für die beiden Wissenschaftler keine Premiere, denn schon im Januar 2006 waren sie in der Südpolregion auf zwei der erstaunlichen Gebilde gestoßen.

Dieses Mal hatten Studinger und Bell den Recovery Glacier Eisstrom südlich der Shackleton Range in der Antarktis ins Visier genommen. Hier werden jährlich über 35 Milliarden Tonnen Eis in das Weddell-Meer transportiert. Mithilfe von Satelliten wie Terra, Aqua oder RADARSAT stießen die Wissenschaftler aber nicht nur auf die Seen selbst, sondern konnten erstmals auch eine ebenso erstaunliche wie wichtige Funktion offenlegen. Laut der neuen Studie erhöhen diese nämlich die Fließgeschwindigkeit des Recovery Glacier Eisstroms gewaltig. Offenbar fungiert das flüssige Wasser der Seen als eine Art Schmiermittel, das den Strom in Bewegung hält beziehungsweise sogar beschleunigt.

Recovery Glacier Eisstrom im kombinierten RADARSAT und ICEsat-Bild © NASA

„Es ist als wenn die Seen die geothermische Energie des gesamten Beckens speichern und dann in den Eisstrom freisetzen”, erklärt Bell. „Sie treiben den Motor an, der den Abfluss der Eisdecke reguliert.“ Studinger geht in den National Geographic News sogar noch einen Schritt weiter: „Wir glauben, dass diese subglazialen Seen der Grund dafür sind, dass solche Eisströme überhaupt existieren. “

Seeausbrüche können Meeresströmungen stören

Die neuen Erkenntnisse der Forscher legen zudem nahe, dass die Antarktis-Seen das Klima der Erde und die Wassermenge in den Ozeanen entscheidend beeinflussen – und zwar viel stärker als man jemals für möglich gehalten hätte. Denn steigt das Tempo des Recovery-Eisflusses ins Meer, trägt dies auch zu höheren Meeresspiegeln weltweit bei.

Laut Bell gibt es aber vielleicht sogar noch einen viel wichtigeren Effekt: „Wir wissen, dass sich in der Vergangenheit mehrfach Sturzfluten aus dem Inneren der Eisdecken ereignet haben, wahrscheinlich vor allem aus diesen untereisischen Seen. Diese plötzlichen Ausbrüche von Süßwasser könnten die nahe liegenden Meeresströmungen stören und so auch den Wärmetransport über die Meere und damit das globale Klimasystem beeinflussen“.

Kanäle verbinden Seen

Noch undurchsichtiger und komplizierter wird die Rolle der untereisischen antarktischen Seen durch eine Beobachtung, die Forscher um Siegert im Jahr 2006 gemacht haben. Bei Radarmessungen der Eishöhen am Dome C, einem der trockensten Gebiete der Antarktis, stellten sie eine ungewöhnliche Eissenkung über einem See im Untergrund fest. Innerhalb von nicht einmal 16 Monaten fiel der Eisspiegel dort um mehr als drei Meter – zehnmal so viel wie normalerweise üblich.

Untereisische Seen in der Antarktis © Michael Studinger / Lamont-Doherty Earth Observatory

Kontrollmessungen der Eisdecke über zwei benachbarten Seen lieferten anschließend ein ebenso ungewöhnliches Resultat: Dort stieg die Eishöhe jeweils um rund einen Meter an. Die Wissenschaftler standen zunächst vor einem Rätsel. Die einzige logische Erklärung aus ihren Resultaten: Zwischen den Seen gibt es eine ebenfalls untereisische Verbindung in Form von Flüssen oder Kanälen über die flüssiges Wasser ausgetauscht und verschoben wird. Wie dies genau abläuft, ist bisher aber noch unklar.

Die Forscher wissen zudem nicht genau, ob es sich bei dem entdeckten Netzwerk um einen Einzelfall oder einen häufig vorkommenden Mechanismus handelt. Es mehren sich aber die Hinweise, dass viele der antarktischen Seen zu einem gewaltigen hydrologischen System verwoben sind, das unter anderem die Fließgeschwindigkeit des Eises Richtung Meer entscheidend mitbeeinflusst.

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Stand: 07.11.2008

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

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