Die Wellenmuster auf sandigem Meeresgrund sehen aus wie modelliert. Doch wenn Sandrippel entstehen, ist nur Physik am Werk. Und nach ihren Prinzipien entstehen auch Dünen in der Wüste: Die anfangs ebene Sandoberfläche ist physikalisch instabil, unter freiem Himmel ebenso wie unter Wasser. Das bedeutet, dass sich kleine Unregelmäßigkeiten unter bestimmten Bedingungen verstärken. So lagert sich im Windschatten hinter einem Stein oder einer Muschel Sand ab. Die Düne oder der Rippel beginnt zu wachsen und damit gleichzeitig der Windschatten. In der Folge wird noch mehr Sand abgelagert.
Doch der Sand kann, sobald er gebunden ist, nicht mehr an anderer Stelle zur Dünen- oder Rippelbildung beitragen. Die gegenläufige, also antagonistische Reaktion besteht in der Abnahme der Sandpartikel, die vom Wind oder den Wellen davongetragen werden können. Mit dieser Abnahme sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass in der Umgebung neue Dünen entstehen oder bereits existierende Sandrippel am Meeresboden weiter wachsen. Die Bildung eines Musters beruht also auf einer lokalen, sich selbst verstärkenden Reaktion. An diese ist eine gegenläufige Reaktion gekoppelt, die die Ausbreitung der sich selbst verstärkenden Reaktion begrenzt.
Mathematik als Lösungshilfe
Jedes Muster der Natur stellt ein – zumeist tiefgründiges – Rätsel dar. Die Mathematik ist hervorragend geeignet, uns beim Lösen dieser Rätsel zu helfen. Sie hilft auf mehr oder weniger systematische Art und Weise, die Regeln und Strukturen, die hinter den beobachteten Mustern verborgen liegen, ans Licht zu bringen. Dann können diese Regeln und Strukturen herangezogen werden, um zu erklären, was vor sich geht.
„Denn wir möchten verstehen, wie bestimmte Muster entstehen und warum, und wir möchten vorhersagen, wie die Natur sich verhalten wird“, sagt Thomas Schlake. Musterbildung ist ein Phänomen, das auch den Biologen während seiner Postdoc-Zeit am Max-Planck-Institut für Immunbiologie fasziniert hat.
Rudyard Kiplings Erklärung
Rippel-ähnliche Muster, wie sie uns bei einem Strandspaziergang begegnen, kommen in der Natur häufig vor: Auch das Fell eines Zebras besitzt solche charakteristischen Linienmuster. Doch welcher Musterbildungsprozess mag einer solchen Fellzeichnung zugrunde liegen? In seinem amüsanten Essay „How the leopard got its spots“, versuchte sich der Dschungelbuch-Autor Rudyard Kipling an einer Erklärung. Danach standen Zebra und Giraffe lange genug im Halbschatten unter den Bäumen: „ … und nach langer Zeit, weil sie halb im Schatten und halb in der Sonne standen, und wegen der flimmernd-flackernden Schatten der Bäume, die auf sie fielen, wurde die Giraffe fleckig, und das Zebra streifig.”
Dem Leoparden verhalf dagegen ein Mensch mit seinen Fingerabdrücken zu den Flecken: „ …dann presste der Äthiopier seine fünf Finger fest zusammen (es war noch viel Schwarz auf seiner neuen Haut übrig) und drückte sie überall auf den Leoparden, und überall, wo seine fünf Finger hinkamen, machten sie fünf kleine schwarze Abdrücke, alle ganz eng zusammen. Du kannst sie auf jedem beliebigen Leopardenfell sehen […] wenn du dir jetzt irgendeinen Leoparden genau anschaust, wirst du sehen, das es immer fünf Flecken sind – von fünf fetten schwarzen Fingerspitzen.“ Dieser nicht ganz ernst gemeinte Versuch, den Ursprung der Muster zu deuten, zeigt jedoch auch, dass wir bei Musterbildungsprozessen nicht unbedingt intuitiv zu einer Erklärung gelangen.
MaxPlanckForschung / Christina Beck
Stand: 19.09.2008