Die Teilchenkollisionen am LHC sollen nicht nur Neues zur normalen und Dunklen Materie herausfinden, mit ihm katapultieren sich die Forscher auch quasi zurück zur Entstehung des gesamten Universums. Denn hier wurde der Grundstein für alles gelegt, was uns heute umgibt.
Die Geheimnisse des Urknalls
In den ersten Millionstel Sekunden nach dem Urknall entschied sich das Schicksal unseres gesamten Universums. In diesem Zeitraum entstanden die Grundbausteine aller Materie, vom Bakterium bis zum Sternenhaufen. Heute ist die normale Materie aus Atomen mit einem Kern aus Protonen und Neutronen zusammengesetzt, die wiederum aus Quarks bestehen. Diese werden von Teilchen namens Gluonen zusammengehalten. Die „Klebekraft“ dieser Gluonen ist so stark, dass es bisher noch niemals gelungen ist, einzelne Quarks oder Gluonen aus einem Neutron oder Proton herauszulösen.
Doch vor der Entstehung der Materie, in der „kosmischen Ursuppe“, waren Temperatur und Energiegehalt so hoch, dass selbst dieses heute unlösbare Band nicht gehalten hätte. Rund 2.000 Milliarden Grad herrschten damals wahrscheinlich. Gluonen und Quarks müssen daher in den ersten Mikrosekunden, so die Theorie, ein so genanntes Quark-Gluon-Plasma gebildet haben, in der beide frei vorlagen. Aber wie hat man sich dieses Plasma vorzustellen? Welche Eigenschaften besitzt es? Genau das soll der ALICE-Detektor am LHC herausfinden.
Günstlingswirtschaft der Natur: Warum gibt es keine Antimaterie mehr?
Spätestens nach dem Quark-Gluon-Plasma wurde die Welt „materiell“ – vielleicht im philosophischen, ganz bestimmt aber im physikalischen Sinne. Alles in dem uns bekannten Universum besteht aus Materie. Und genau das ist das Problem. Denn seit 1932 ist bewiesen, dass es Elementarteilchen gibt, die nicht zu den zwölf Grundbausteinen der Materie gehören, sondern quasi deren Gegenstück darstellen. Diese Antiteilchen besitzen exakt die gleichen Eigenschaften aber immer mit umgekehrtem Vorzeichen, beispielsweise einer negativen Ladung statt einer positiven. Treffen Teilchen und sein Antiteilchen zusammen, löschen sie sich gegenseitig aus.
Bei der Entstehung des Universums, im Urknall, müssen jedoch, so will es die Theorie, gleiche Teile Antimaterie und Materie erzeugt worden sein. Warum haben sie sich nicht sofort gegenseitig ausgelöscht? Warum überlebte die Materie? Und wo ist die ganze Antimaterie geblieben? Aus irgendeinem Grund scheint die Natur die Materie bevorzugt zu haben. Aber warum?
Eine Antwort auf diese Fragen könnte sich in den Eigenschaften der Antimaterie verbergen. Es gibt erste Hinweise darauf, dass winzige Unterschiede im Verhalten existieren, aber noch reichen diese Indizien bei weitem nicht aus, um daraus eine Erklärung für das „Verschwinden“ der Antimeterie zu konstruieren.
Mithilfe des LHCb-Experiments wollen die Wissenschaftler daher nun noch detaillierter nach Unterschieden im Verhalten zwischen Materie und Antimaterie suchen.
Verborgene Welten: Gibt es Extradimensionen des Raumes?
Unseren Alltag erleben wir in drei Dimensionen: Höhe, Breite und Tiefe. Wenn es hochkommt, sind wir uns noch der Zeit als der vierten Dimension bewusst. Von diesen vier ging auch Einstein noch aus. Doch für die Physiker und Kosmologen der heutigen Zeit ist dies lange nicht genug. Einige von ihnen hantieren inzwischen sogar mit zehn oder elf Dimensionen und versuchen damit die Schwerkraft und andere Lücken der Standardtheorie zu erklären.
Auch für die String-Theorie, ein Erklärungsmodell, das das Einsteinsche Raum-Zeit-Modell mit den Phänomenen der Quantenwelt unter einen Hut bringen soll, werden solche zusätzlichen Dimensionen gebraucht. Diese könnten sich, so die Annahme, winzig klein „aufgerollt“ in unseren herkömmlichen Dimensionen verbergen. Nachweisen konnte das bisher allerdings niemand. Jetzt hoffen die Forscher, dass die extrem hohen Energien, die bei den Teilchenkollisionen im LHC frei werden, möglicherweise ein paar konkretere Hinweise auf solche Dimensionen quasi „ans Licht bringen“.
Stand: 05.09.2008