Anthropogeographie

Ökosystem in Not

Die Folgen der „Sinisierung“ auf die Umwelt

Die Neu-Ansiedlung von mehreren Tausend Chinesen in Tibet – sei es durch Regierungsprogramme oder durch ungelenkte Ströme von Wanderarbeitern – wird nicht nur soziale Probleme nach sich ziehen. Bereits jetzt warnt das Department für Umwelt und Entwicklung der tibetischen Exilregierung vor irreparablen Umweltschäden im Tibet.

Sensibles Gleichgewicht

Moderner Nomade mit Moped und Yaks © Andreas Gruschke

Das auf durchschnittlich 4.500 Metern Höhe gelegene Hochland von Tibet ist ein sensibles Ökosystem, an das sich die Tibeter Jahrhunderte lang durch ihre traditionelle nomadische Lebensweise angepasst haben. Auf dem Hochland herrscht ein alpines Wüstenklima. Der Himalaya schirmt es weitestgehend von Niederschlägen ab, zudem ist es sehr kalt. Fast 70 Prozent des Territoriums bestehen aus alpinen Steppen und sind lediglich als Weideland zu nutzen.

Deshalb leben die Tibeter ursprünglich fast ausschließlich von Viehwirtschaft. Sie halten Yaks, Ziegen und Schafe – Nutztiere, die ihrerseits sehr gut an Höhenlagen und Klima angepasst sind. Bemühungen während der Kulturrevolution, die tibetischen Nomaden sesshaft zu machen, sind, anders als in den ehemals sowjetischen zentralasiatischen Ländern, weitestgehend gescheitert. 1981 wurden die Volkskommunen im Tibet wieder aufgelöst, das Vieh wieder verteilt und die Betriebe privatisiert.

Neue Siedlungspolitik

Heute jedoch ist die chinesische Regierung erneut bestrebt, die Tibeter sesshaft zu machen. Die Begründung: Der nomadische Lebensstil ziehe ernste Umweltschäden nach sich.

Bis zum Ende des Jahres 2007 wurden rund 60.000 Tibeter gezwungen, in neu gebaute Wohnsiedlungen in zu ziehen. Im Jahr 2008 sollen nochmals 52.000 Tibeter in Städte umgesiedelt werden.

Laut der chinesischen Nachrichten-Agentur Xinhua seien die Weidegründe von Überweidung bedroht, die große Anzahl an Siedlern außerhalb der Städte ziehe die großen, im Tibet entspringenden Flüsse – den Yangtse, den Gelben Fluss oder den Mekong – in Mitleidenschaft und bedrohe so die Wasserressourcen des restlichen Chinas.

Desertifikation als Ursache oder Folge?

Das Department für Umwelt und Entwicklung der tibetischen Exilregierung kritisiert, dass das jedoch eine Folge des Jahrzehnte langen Missmanagement seitens der chinesischen Behörden sei. Eine Prognose, wie viele Menschen die Region Tibet überhaupt ernähren und tragen kann, habe es nie gegeben. Dennoch treibe China die Verstädterung der Siedlungen im Tibet voran und ließe die unkontrollierte Zuwanderung von Arbeitskräfte zu.

Yaks – Die Lebensgrundlage vieler Nomaden im Tibet © Edda Schlager

Ebenso habe sich die chinesische Regierung nie mit dem notwendigen Management der ausgedehnten, aber lediglich extensiv nutzbaren Weideländer auseinandergesetzt. – Neu angesiedelte Chinesen hätten angefangen, Getreide anzubauen und den Boden zu düngen. Die Nomaden seien dazu gezwungen worden, ihr Vieh einzuzäunen. Die Folge sei fortschreitende Desertifikation. Ein Großteil der Weideländer Tibets sei heute degradiert. Durch die Folgen von Ackerbau oder Überweidung sei die obere fruchtbare Bodenschicht weggeblasen worden, das Land nicht mehr nutzbar. Das Ausmaß des Schadens käme dem Verlust der Tropischen Regenwälder gleich, so die tibetischen Umwelt-Experten.

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Stand: 30.08.2008

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Tibet
Unruheherd auf dem "Dach der Welt"

Autonom, unabhängig oder annektiert?
Die Frage um den Status Tibets

Die Kolonisation Tibets
Kulturelle und ökonomische Übernahme

Ökosystem in Not
Die Folgen der „Sinisierung“ auf die Umwelt

Meditation im Kernspintomographen
Vom Mitgefühl der Mönche

Vom Königreich zur Annektion
Die Geschichte Tibets

Tibet in den Grenzen von …?
Die Rolle der Exil-Tibeter

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