Anthropogeographie

Bevölkerungsexplosion macht Probleme

Indien zwischen Krise und Kommerz

Straßenküche in Kolkata © KenWalker / CC 3.0 / GFDL

Hunger, Armut, zu viele Pestizide und Überdüngung in der Landwirtschaft, fehlende Lehrer und Schulen: Dies sind nur einige der Probleme, mit denen Indien auch aufgrund der Überbevölkerung schon heute zu kämpfen hat. Hinzu kommt die „dicke Luft“ durch eine ständig steigende Zahl an Pkws – vor allem die Großstädte ersticken im Verkehr – oder veraltete Kraftwerke.

Viel im Argen liegt auch beim indischen Gesundheitssystem. Dem unterfinanzierten öffentlichen Bereich fehlt es an Ärzten und Medikamenten, der private Bereich ist für die meisten Kranken kaum zu finanzieren. Wie die Weltbank in einer Studie festgestellt hat, reicht daher bei einem Viertel aller Haushalte im indischen Bundesstaat Maharashtra schon ein Krankheitsfall aus, um die jeweilige Familie in den Ruin zu treiben.

Politiker verbreiten Optimismus

Wenn Indiens Bevölkerung künftig jährlich um 17 Millionen weiter wächst, wird sich die Situation nach Ansicht von Experten in vielen Bereichen noch dramatisch verschärfen. Denn diese Menschen brauchen Ressourcen wie Land, Nahrung, Energie oder Wasser, die auf dem Subkontinent ohnehin knapp sind.

Schlangenbeschwörer in Jaipur © Public domain

Sie benötigen aber auch Arbeit, um überleben zu können. Aktuellen Berechnungen von Wissenschaftlern zufolge müssen aufgrund des Bevölkerungswachstums in Zukunft pro Jahr bis zu sieben Millionen Jobs zusätzlich entstehen, um den Bedarf einigermaßen zu decken.

Das Land braucht zudem 16.000 Primarschulen und 400.000 Lehrer jährlich extra, um zumindest eine Grundbildung der Babyboom-Kinder sicher zu stellen. Ein realistisches Szenario dank Wirtschaftswunder und wachsenden Auslandinvestitionen? Für indische Politiker offenbar schon.

„Natürlich haben wir Probleme in unserem Land. Aber die Probleme sind längst nicht so groß, wie manche behaupten“, sagte beispielsweise der indische Planungsminister Montek Singh Ahluwalia 2006 im Spiegel. Und weiter: „Sie werden sehen: Langfristig werden von dem Wachstum in Indien alle ihren Nutzen haben.“

Bäuerin in Indien © public domain

Massenselbstmorde als Hilferuf

Für manche jedoch könnte es dann längst zu spät sein. So wie für viele Bauern im zentralindischen Baumwollgürtel, die schon jetzt aufgrund des Preisverfalls bei dem Naturprodukt immer stärker mit Überschuldung, Hunger und Sorge um das Wohl der Familie zu kämpfen haben. Die Folge: Die Selbstmordrate steigt enorm.

Allein in den Bundesstaaten Maharashtra, Kerala, Karantaka und Andrah Pradesh soll es in den letzten Jahren nach Schätzungen von Menschenrechtsorganisationen 18.000 solcher Fälle gegeben haben.

Sozialer Bereich als Achillesferse

Für viele Experten ist es deshalb mehr als fragwürdig, allein auf das Prinzip Hoffnung und das aktuelle Wirtschaftswunder zu setzen, um mit dem rasanten Bevölkerungswachstum klar zu kommen. Der Wissenschaftler Christian Wagner kommt in einem Beitrag für „GIGA Focus“ des German Institute of Global and Area Studies (GIGA) zu dem Schluss: „Die Achillesferse der indischen Demokratie ist bis heute ihre mangelnde Leistungsfähigkeit im sozialen Bereich, vor allem bei der Bereitstellung öffentlicher Güter.“

Angesichts der herrschenden Rahmenbedingungen, so Wagner weiter, werde das rasante Wirtschaftswachstum die sozialen Probleme kaum von selbst lösen – vor allem dann, wenn jährlich Millionen von Menschen hinzu kommen.

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Stand: 11.07.2008

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Wegen Überfüllung geschlossen?
Indien zwischen Bevölkerungsexplosion und Wirtschaftswunder

Wachset und mehret euch…
…und macht euch die Erde untertan

Land der Kontraste
Indien im 21. Jahrhundert

2070: Zwei Milliarden Inder?
Einem Bevölkerungsriesen beim Wachsen zugeschaut

Bevölkerungsexplosion macht Probleme
Indien zwischen Krise und Kommerz

Verhütung, Familienplanung und viel mehr…
Was kann Indien gegen das Bevölkerungswachstum tun?

Klimasünder Indien?
Bevölkerungswachstum treibt Klimawandel an

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