Nur etwas mehr als eine Tonne CO2 wird in Indien laut der Earth Trends Database 2007 des World Resources Institutes pro Kopf und Jahr in die Luft gepustet – und dies trotz maroder Kraftwerkstechnik und Verkehrsinfarkt. Das ist gerade mal ein Zwanzigstel von dem, was auf einen US-Amerikaner entfällt. Noch. Denn wenn das Wirtschaftswachstum in Indien auch nur annähernd auf dem neun-Prozent-Niveau weitergeht, wird die CO2-Bilanz dort wahrscheinlich schon bald viel negativer ausfallen.
Wird Indien in Zukunft also zu einem der größten Klimasünder der Welt? Aktuelle Hochrechnungen haben zumindest gezeigt, dass sich die Treibhausgas-Emissionen dort auch wegen des Bevölkerungswachstums in den nächsten 25 Jahren mindestens verdoppeln werden. Doch auch dann würden sie noch immer nur einen Bruchteil von denen in vielen Industrieländern betragen.
Mehr Emissionen – weniger Armut?
Der Vorsitzende des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), Rajendra K. Pachauri, stellte denn auch klar, dass die Hauptverantwortung bei der Emissionsminderung nach wie vor bei den Industrieländern liegt. „Ich glaube, die reichen Länder müssen ihre Emissionen senken. Wir dagegen sollten unsere Emissionen steigern können, denn das ist nötig, um die Armut zu vertreiben“, sagt Pachauri im Magazin „Welternährung“ der Welthungerhilfe.
Aber der Klimaexperte plädiert in der Wochenzeitschrift „Die Zeit“ auch dafür, dass Indien einen anderen, besseren Weg wählt als die USA, Deutschland oder Japan vor einigen Jahrzehnten. „Richtig, wir müssen anders bauen, Energie muss effizienter genutzt werden, und es fehlen noch mehr politische Vorschriften und Anreize. Aber auch auf diesem Feld gilt wie beim Verkehr: Die Industrieländer müssen Vorbild sein. Man kann nicht erwarten, dass Inder, die täglich im Fernsehen amerikanische Geländeautos sehen, darauf verzichten wollen.“
Und er geht noch einen Schritt weiter: „Viele hegen hierzulande schon lange den Verdacht, dass der Norden selbst nichts tun will und Druck auf den Süden ausübt, damit wir arm bleiben und damit emissionsarm.“
Bevölkerungswachstum belastet Klima
Wie sehr das enorme Bevölkerungswachstum in Indien oder anderswo in Zukunft das Klima belasten könnte, hat der Datenreport 2007 der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung gezeigt.
Danach würde es dem Klimaschutz nur wenig nützen, wenn die Industrieländer – wie Anfang Juli 2008 auf dem G 8-Gipfel in Japan beschlossen – den Kohlendioxid-Ausstoß bis 2050 um 50 Prozent reduzieren. Denn global betrachtet wäre das nicht viel mehr als der berühmte Tropfen auf den heißen Stein: Neue Berechnungen haben ergeben, dass nahezu die gesamten Einsparungen in Deutschland, England oder Frankreich durch die Bevölkerungsexplosion in den Entwicklungs- und Schwellenländern wieder kompensiert würden.
„Das Thema Bevölkerungswachstum muss in der gegenwärtigen Debatte um den Klimawandel stärker berücksichtigt werden“, fordert deshalb auch der Geschäftsführer der DSW, Jörg F. Maas. „Denn eine Verlangsamung des Wachstums der Weltbevölkerung kann einen wichtigen Beitrag leisten, den Treibhauseffekt zu verringern.“
Stand: 10.07.2008