Die Suche nach dem „Atlantis des Nordens” hat eine lange Tradition. Der erste, der in der Neuzeit systematisch versuchte, Relikte der untergegangenen Stadt zu finden, war Andreas Busch, ein Bauer und Hobbyarchäologe aus Nordstrand. Am 16. Mai 1921 entdeckte er vor der Nordwestecke der Hallig Südfall eine Gruppe von sieben alten Warften, die noch alte Brunnenlöcher erkennen ließen. Auch die Überreste einer Schleuse fand er.
Seiner Ansicht nach konnten dies nur Reste Rungholts sein. Ein Vergleich mit der Karte „Clades Rungholtina“ von Peter Sax zeigte große Übereinstimmung in Lage und Aufbau der Siedlung: Schleuse, Deich und Warften lagen ziemlich genau dort, wo auch der Kartograph sie eingezeichnet hatte. Weitere Untersuchungen in den Folgejahren schienen das zu bestätigen – die Relikte könnten von Rungholt stammen.
Überraschende Entdeckung im Norden
Doch in den 1990er Jahren kam Widerspruch aus unerwarteter Richtung: Der Ethnologe und Kulturhistoriker Hans Peter Duerr führte mit Studenten der Universität Bremen eine Ausgrabung im Watt nördlich der Hallig Südfall und der Fundorte Buschs durch und stieß dabei auf die Überreste einer mittelalterlichen Handelssiedlung – genau an der Stelle, an der auch die Karten von Johannes Mejer den Ort Rungholt vermerken.
Unter den Funden waren Hausreste, glasierte Backsteine und Fensterglas, aber auch Keramik aus Flandern, Südfrankreich und Spanien. In einem Vorratskämmerchen will Duerr sogar Gefäßrelikte mit Gewürzen aus Indien und Westafrika gefunden haben. Für den Ethnologen war damit die Frage der Lage Rungholts eindeutig geklärt.
Der „Raubgräber“-Streit
Nicht jedoch für die Forscher vom Landesamt für Vor- und Frühgeschichte in Schleswig. Sie warfen Duerr „Raubgrabung“ vor und veranlassten einen Rechtsstreit: Die Funde seien ohne Sicherung und systematische Katalogisierung einfach aus dem Watt geholt worden und damit kaum verwertbar. Duerr wiederum konterte mit dem Vorwurf, die Schleswiger Archäologen würden wichtige Erkenntnisse zurückhalten. Diese wiesen das energisch zurück mit dem Hinweis, dass die meisten Funde Duerrs längst bekannt und kartiert waren.
Die Schlussfolgerungen des Ethnologen seien jedoch völlig aus der Luft gegriffen. Das angebliche Langhaus sei eine bereits kartierte Grube, einige Datierungen falsch und zur Zeit Rungholts sei der gesamte Bereich unter Wasser gewesen, eine Stadt hätte hier also nicht stehen können.
Inzwischen neigt die Mehrheit der Rungholtforscher dazu, den Ort dort anzusiedeln, wo heute die Hallig Südfall liegt – gibt also letztlich Busch und den Landesarchäologen recht. Da die Hallig sich im Laufe der Jahrhunderte stetig nach Osten verlagert hat, überwanderte sie im Laufe der Zeit auch das Gebiet des untergegangenen Rungholt. Heute gibt sie daher nur an ihrer Nordwestecke Spuren einer möglichen Besiedlung frei. Ob es sich dabei tatsächlich um Rungholt handelt, (??) ist allerdings bis heute nicht bewiesen…
Stand: 25.04.2008