Phänomene

Teilungsirrtum führt zum Zelltod

Signalkonflikt auf zellulärer Ebene bei beiden Krankheiten

Auf zellulärer Ebene sind bisher weder bei Alzheimer noch bei Parkinson die Mechanismen restlos geklärt. Eine Gemeinsamkeit beider Krankheiten hat sich in diesem Bereiche jedoch kürzlich herauskristallisiert: In beiden Fällen sterben die Gehirnzellen möglicherweise deshalb, weil sie irrtümlich meinen, sich teilen zu müssen.

Tödlicher Signalkonflikt

Wissenschaftler der Universität Marburg deckten im Februar 2007 auf, dass bei Parkinson Gehirnzellen sterben, weil sie sozusagen mehr wollen als vorgesehen: „Obwohl sich die Nervenzellen des Gehirns nicht durch Zellteilung vermehren können, schalten erkrankte Zellen die gesamte molekulare Maschinerie an, die für die Zellteilung nötig ist und gehen schließlich daran zugrunde“, erklärt Günter U. Höglinger vom Fachbereich Medizin der Universität. „Im Gehirngewebe verstorbener Patienten wiesen wir nach, dass sich der DNA-Strang bereits verdoppelt hatte und dass verschiedene molekulare Schalter aktiviert waren, die normalerweise zu einer Zellteilung führen.“

Dopamin-produzierende Nervenzellen (grün / blau) in der Substantia Nigra einer Maus mit Parkinson. Die Nervenzelle links der Mitte hat fälschlicherweise ein molekulares Signal (rot) zur Einleitung der Zellteilung aktiviert. © Günter U. Höglinger/ Universität Marburg

Im Reagenzglas sowie in Tiermodellen konnten die Forscher belegen, dass es bei diesen scheinbar kurz vor einer Teilung stehenden Zellen zu einem Konflikt von Signalen kommt. Dieser führt schließlich dazu, dass sie sich selbst umbringen. In experimentellen Parkinson-Modellen konnten die Forscher bereits die detaillierte Abfolge der zellulären Signale entschlüsseln, die letztlich zu diesem „irrtümlichen“ Zelltod führen. „Besonders interessant ist, dass wir diese Signale bereits beeinflussen können“, so Höglinger. „Im Tierversuch haben wir durch gentechnische Manipulation erreicht, dass die molekularen Schalter für die Zellteilung nicht mehr ‚umgelegt‘ werden und dass infolgedessen auch der Zelltod ausbleibt.“ Das Forscherteam erhofft sich nun, dass ihre Erkenntnisse zur Entwicklung neuroprotektiver, die gefährdeten Zellen schützender Strategien führen.

„Doppelgenom“ als Todesurteil?

Auch bei der Alzheimer-Krankheit scheint ein „irrtümliches“ Teilen eine der Wurzeln des Übels zu sein: In einer im Juli 2007 erschienenen Studie stellten Wissenschaftler des Paul-Flechsig-Instituts für Hirnforschung der Universität Leipzig fest, dass befallene Nervenzellen unter bestimmten Bedingungen ihr genetisches Erbmaterial verdoppelten, obwohl sich diese bereits erwachsenen Zellen eigentlich nicht teilen. Diese Verdopplung ähnelt dem Verhalten von Tumorzellen, führt aber langfristig zum Tod der betroffenen Neuronen.

Zwar wurden auch im gesunden Gehirn Zellen mit doppelter DNA entdeckt, diese waren jedoch inaktiv und ihr Anteil lag nur bei einem Prozent aller Zellen. Bei Alzheimer-Patienten dagegen weisen rund 20 Prozent der Zellen diese Veränderung auf. Wann und wodurch die steigende Zahl von Chromosomenverdopplungen eintritt, ist aber noch nicht bekannt. Ließe sich der Beginn dieser krankhaften Aktivität frühzeitig nachweisen, könnte nach Ansicht der Forscher eines Tages eine Gentherapie dafür sorgen, dass solche Genfehler gar nicht erst auftreten und damit die Krankheit nicht ausbricht. Noch allerdings sind solche Pläne eher Zukunftsmusik…

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Stand: 26.10.2007

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Inhalt des Dossiers

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