Neben der Vielfalt ihrer Nahrungsstrategien ist es vor allem auch ihre extrem große Bandbreite an Ausbreitungsmöglichkeiten, die die Pilze so erfolgreich macht. Denn sie geben sich nicht mit einer Art der Fortpflanzung zufrieden, sondern können je nach Bedarf zwischen verschiedenen Formen der sexuellen und nicht-sexuellen Vermehrung wechseln.
Wenn Fäden im Kreis wachsen
Eine Art der asexuellen Fortpflanzung ist das simple Wachsen durch Zellteilung. Fast alle Pilze bilden für uns unsichtbar, verborgen im Untergrund, fortwährend neue Pilzzellen und –fäden. Denn das, was wir für landläufig für den Pilz halten, die braunen oder bunten Hüte von Steinpilz, Fliegenpilz oder Champignon, sind nur die Spitze des Eisbergs. Sie sind nur die Fruchtkörper des eigentlichen, sehr viel größeren Pilzgewächses, das sich im Untergrund verbirgt.
Und dieses besteht aus einem kreisförmig nach außen wuchernden Geflecht von Millionen extrem feinen, nur Bruchteile eines Millimeters dicken, sich verzweigenden Fäden, den Pilzhyphen. Bei Schimmelpilzen, beispielsweise auf einer Brotscheibe, ist diese kreisförmige Art der Ausbreitung besonders gut zu erkennen. Aber auch im Wald oder auf Wiesen kann sie sichtbar werden: Dann, wenn ein Pilz „Feenringe“ oder „Hexenringe“ bildet.
Wo die Feen tanzen
Früher hielt man diese Ringe von Hutpilzen für die Spuren von im Kreis tanzenden Feen oder Hexen. Denn es gab keinerlei Hinweis darauf, woher diese Pilze sonst ihre besondere geometrische Anordnung herbekommen sollten. In Wirklichkeit allerdings braucht es dazu keinerlei magische Einflüsse: Denn auch die Feenringe sind einfach nur das Ergebnis der typischen kreisförmigen Wuchsform der Pilzhyphen im Untergrund. Häufig macht sich diese unterirdische Tätigkeit auch an der Oberfläche bemerkbar. Dann zehren die wachsenden Pilzfäden so viele Nährstoffe aus dem Boden, dass für Gras und andere Pflanzen nicht mehr genügend übrig bleibt – sie vergilben und sterben ab.
Eine Autobahn für Bakterien
Doch das Pilzgeflecht ist nicht nur zerstörerisch, ganz im Gegenteil: Für einige Bodenbakterien bildet es sogar eine Art Autobahn, ein willkommenes Hilfsmittel, um Hindernisse wie Luft oder mangelnde Feuchtigkeit im Boden zu überwinden. Der Mikrobiologe Lukas Y. Wick von der Universität Leipzig führte Laborversuche durch, um die Bakterien beim Nutzen dieser Autobahn quasi auf frischer Tat zu ertappen.
Die Zutaten für den Versuch: ein Bakterium namens Pseudomonas putida, ein künstliches Hindernis aus Glaskugeln, unbelasteter Boden mit und ohne Pilzgeflecht und die Leibspeise des Bakteriums, die chemische Substanz Phenanthren. „Wir ließen die Bakterien bewusst gegen die Schwerkraft nach oben gehen, damit man nicht sagen kann: Es könnte ein bisschen Wasser sein, das nach unten läuft und die Bakterien mitschleppt“, erklärt Wick. Tatsächlich schafften die Bakterien es nur dort nach oben, wo sich ein Pilzgeflecht durch den Boden zog. In den Kontrollversuchen ohne Pilze blieben die Bakterien dagegen stecken.
Stand: 19.10.2007