Klima

Sauerstoffmangel am Meeresboden

Ein ozeanisches anoxisches Ereignis

Forschungsbohrung Wunstorf im März 2006. © RUB

Wir setzen unsere Reise im PKW fort; die an der A2 gelegene Mergelgrube Wunstorf, 20 Kilometer östlich von Hannover, ist unser nächstes Ziel. Im Rahmen eines Projektes der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DGF) wurde hier im März 2006 eine 80 Meter tiefe Kernbohrung abgeteuft, um die cenomanzeitlichen Ablagerungen zu erbohren.

Im Gegensatz zu den sandig-kiesigen, küstennahen Ablagerungen von Bochum liegen in Wunstorf küstenferne ozeanische, heute zu Kalkstein verfestigte Ablagerungen vor. Die Wassertiefe muss in der Kreidezeit hier circa 100 bis 200 Meter betragen haben. Die Küstenlinie lag 70 Kilometer weiter südlich im Raum Bad Gandersheim. Die Kalksteine setzen sich aus den Skeletten winziger Schwebalgen, den Coccolithophoriden, zusammen.

Bemerkenswert an der Gesteinsabfolge von Wunstorf sind 15 schwarze Tonsteinbänke von bis zu einem Meter Dicke, die in die Kalksteine eingelagert sind. Diese dunklen Gesteine weisen eine hohe Anreicherung – mehr als fünf Prozent – an organischem Kohlenstoff auf, der aus marinen einzelligen Algen besteht, den Coccolithophoriden und den Dinoflagellaten.

Algen als Primärproduzenten

Bohrkern mit kohlenstoffreichen, dunklen Lagen. Die hellen Lagen spiegeln die Normalablagerungen wider. Hierbei handelt es sich um verfestigten Kalkschlamm, der aus Skeletten von Schwebalgen besteht. © RUB

Neben einer dritten Algengruppe, den Diatomeen, stellen diese kleinwüchsigen, Photosynthese betreibenden Schwebalgen noch heute die wichtige Gruppe der so genannten Primärproduzenten in den Ozeanen dar. Mit Hilfe von Sonnenenergie, CO2 und mineralischen Nährstoffen (Phosphate, Nitrate) synthetisieren sie einfache organische Bausteine (Zucker); gleichzeitig setzen sie Sauerstoff frei. Diese pflanzlichen Primärproduzenten bilden als Nahrung für alle anderen Organismen die Grundlage unserer Existenz.

Die kohlenstoffreichen Gesteine stellen zum einen Erdölmuttergesteine dar, da Erdöl im Wesentlichen aus den Resten mariner Schwebalgen besteht. Sie sind zum anderen ein Zeichen für eine Unterbrechung des biologischen Kreislaufs aus Zeugung, Wachstum, Tod, Zerfall und Abbau.

Im Normalfall werden alle organischen Verbindungen wieder in die mineralischen Ausgangskomponenten zerlegt und dem Stoffkreislauf zugeführt. Offenbar konnte bei unserem Beispiel der Kohlenstoff nicht wieder freigesetzt werden, da Mikro- und Makroorganismen, die für die Zersetzung zuständig sind, aufgrund von Sauerstoffarmut im Bodenwasser – anoxische Bedingungen – nicht leben konnten.

Dunkle Gesteine in allen Ozeanen

Derartige dunkle Gesteine der Cenomanzeit und der folgenden Turonzeit vor 93,5 bis 89 Millionen Jahren hat man nicht nur in Deutschland, sondern altersgleich in allen Ozeanen der Welt gefunden. Daher spricht man von einem ozeanischen anoxischen Ereignis oder Ocean Anoxic Event (OAE). Ein OAE repräsentiert einen geologisch kurzen Abschnitt von circa 500.000 Jahren, in dem es zu einer Unterbrechung des Kohlenstoffkreislaufs kam.

Bei den Gesteinen des OAE handelt es sich um Kohlenstoffsenken, da in ihnen Kohlenstoff lange gebunden und somit dem Stoffkreislauf entzogen wird. Dieses Phänomen wirkt regulierend auf den erhöhten CO2-Gehalt in der Warmphase. Allerdings beginnt diese Bindung von CO2 erst einige Millionen Jahre verspätet, so dass erst vor circa 85 Millionen Jahren wieder eine Abkühlung einsetzte. Ein globales OAE weist auf ein vollständig anderes klimatisches Regime als heute für den Zeitraum vor 99 bis vor 89 Millionen Jahren hin.

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Stand: 27.04.2007

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Treibhaus Kreidezeit
Klimawandel in der Erdgeschichte

Bochum als Hafenstadt
Strandkörbe im Geologischen Garten

Was das Klima antrieb
Ursache des globalen Temperaturanstiegs in der Kreidezeit

Sauerstoffmangel am Meeresboden
Ein ozeanisches anoxisches Ereignis

Tropenklima in Norddeutschland
Archaebakterien als Paläothermometer

Wenn Ökosysteme zugrunde gehen…
… und wieder auferstehen

Überleben in einer CO2-Welt
Große Vielfalt, geringe Artenzahl

Treibhaus Erde im 22. Jahrhundert?
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