Die mondänen Skiorte Crans-Montana, Saas Fee und Leukerbad, der Simplon-Tunnel, Matterhorn und Dufourspitze, die Rhone: Der Schweizer Kanton Wallis hat vor allem für Touristen und Bergsteiger einiges zu bieten. Bekannt über seine Grenzen hinaus ist auch, dass innerhalb des Kantons mit Aletsch, Gorner und Fiescher die drei größten Gletscher der Alpen liegen.
Diese Giganten sind jedoch nur die „Spitze des Eisbergs“. Dutzende von weiteren Gletschern sind hier zu finden und viele davon speisen eigene Seen. Damit lauern auch im Wallis erhebliche Gefahren durch mögliche Gletscherseeausbrüche. Hier wären vermutlich sogar mehr Menschen von einer Flutwelle bedroht als beispielsweise im Himalaja. Denn die Bevölkerungsdichte ist in der Schweiz viel höher als in Bhutan oder Nepal.
Anders als im mächtigsten Gebirge der Welt sind die Gletscherseen im Wallis – aber auch in anderen Kantonen des Landes – relativ gut erforscht und überwacht. Wissenschaftler der Versuchsanstalt für Wasserbau, Hydrologie und Glaziologie (VAW) der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich haben sogar ein so genanntes Gletscherinventar erstellt. Darin sind 84 dieser Eisriesen in der Schweiz präzise erfasst, „die in der Vergangenheit Schäden an Menschen, Tieren oder Sachwerten verursacht haben oder bei denen eine potenzielle Gefährdung erkannt wurde.“
Mit Pumpen und Schläuchen auf den Berg
Zu den Bedrohungen durch Gletscher zählen nach Angaben der Forscher Fels- und Gletscherstürze, Lawinen und eben Seeausbrüche. „Die Gefahren übersteigen den Erfahrungshorizont. Alte Chroniken und Aufzeichnungen erweisen sich plötzlich als ungültig und neue Gefahren können plötzlich an Stellen auftreten, die früher als sicher galten. Aufgrund dieser Entwicklung müssen neue Gefahrenkarten erstellt werden, gekoppelt mit einer konstanten Überwachung, da Veränderungen sehr schnell eintreten“, skizziert der Züricher Professor Wilfried Haeberli im Jahr 2004 in der Broschüre „Gletschersee-Ausbrüche in Nepal und der Schweiz“ die Probleme, mit denen die schweizerischen Glaziologen zu kämpfen haben.
Mithilfe von Satelliten– und Luftbildaufnahmen und Expeditionen vor Ort werden potenziell gefährliche Seen aufgespürt und ab dann nicht mehr aus den Augen gelassen. Droht die Situation außer Kontrolle zu geraten, greifen die Schweizer Experten zu Spezialpumpen und Schläuchen und fliegen sie zur Not auch per Helikopter auf den Berg. Mithilfe dieses Equipments oder durch neu angelegte Kanäle und Schleusensysteme wird der Wasserspiegel bei gefährlichen Seen dann künstlich so lange gesenkt, bis kein direktes Risiko mehr für die Menschen in den tiefer gelegenen Tälern besteht.
Wehe, wenn Gletscher hängen…
Einer der Seen, die sich zurzeit der besonderen Aufmerksamkeit von Wissenschaftlern der ETH Zürich erfreuen, liegt am Triftgletscher. Er hat sich dort innerhalb weniger Jahre neu gebildet und wächst im Moment noch immer weiter an. Mittlerweile ist er bereits der größte Gletschersee in den Alpen und speichert mehrere Millionen Kubikmeter Wasser.
Die Forscher fürchten nun, dass dort im Laufe der Zeit ein so genannter hängender Gletscher entsteht, der zu großen Teilen über der Seeoberfläche baumelt. Irgendwann könnten Millionen von Kubikmetern Eis plötzlich und ohne Vorwarnung ins Wasser stürzen und eine gigantische Flutwelle auslösen. Unmengen an Schlamm und Wasser würden dann beispielsweise durch das schöne Gadmertal wälzen und im Extremfall sogar das Städtchen Innertkirchen dem Erdboden gleich machen.
Doch noch besteht keine unmittelbare Gefahr – weder für Innertkirchen noch für andere Orte in der Region. Denn Forscher der VAW haben längst die Wahrscheinlichkeit von gefährlichen Eislawinen am Triftgletscher abgeklärt. Dabei kamen sie zum Schluss, dass „eine bedrohliche Instabilität unwahrscheinlich ist, solange der Triftgletscher in der gesamten Steilstufe genügend dick ist und sein Ende deutlich unterhalb der Steilstufe liegt.“
Je mehr aber der Gletscher schrumpft und je dünner das Eis im steilen Bereich und am Fuß wird, desto größer wird die Gefahr von Gletscherstürzen. „Die bisherigen Erfahrungen am Allalingletscher im Kanton Wallis, von dem drei größre Eisabbrüche gut dokumentiert sind, haben gezeigt, dass vor derartigen Ereignissen eine erhöhte Fließbewegung als Zungenrutschung stattfindet.“, so die ETHZ-Wissenschaftler im Jahr 2005 weiter.
Mit gezielten Messungen wollen sie nun die Gletscherbewegungen überwachen und ungewöhnliche Veränderungen des Fließtempos frühzeitig aufspüren. Dann bliebe im Ernstfall noch genügend Zeit, Gegenmaßnahmen zu ergreifen und beispielsweise den Wasserspiegel des Sees künstlich abzusenken.
Stand: 30.03.2007