Kreative Ideen und Konzepte zum Thema Weltraumkolonien gibt es viele, und nicht wenige davon werden in ferner Zukunft möglicherweise einmal realisiert werden können, aber was sind die realistischen Aussichten für die nähere Zukunft? Gibt es Formen von Raumkolonien oder Stationen, die innerhalb der nächsten Jahrzehnte oder Jahrhunderte denkbar sind?
Durchaus – wenn es nach den Aussagen von Apollo-Astronaut Edwin Aldrin und einigen anderen Weltraumenthusiasten geht. Ihre Idee beruht auf einem simplen Recycling-Prinzip: Bisher ist der einzige Teil des Space Shuttles, der nicht wiederverwendet werden kann, der riesige Außentank. Der aus Aluminium bestehende Zylinder liefert den Shuttledüsen den Treibstoff in Form von flüssigem Sauerstoff und Wasserstoff. Er wird abgekoppelt, wenn das Shuttle 97 Prozent der Orbitgeschwindigkeit erreicht hat. Der abgestoßene Tank verbrennt zum großen Teil in der Atmosphäre, übrigbleibende Teile landen im Indischen Ozean – letztendlich weder besonders ökonomisch noch sonderlich umweltfreundlich.
Eine Alternative, die inzwischen auch von Raumfahrtunternehmen erwogen wird, wäre es, die Tanks im Orbit zu belassen und beispielsweise als kommerzielle Raumstationen oder sogar Weltraumhotels zu nutzen. Jeder dieser Tanks ist groß genug, um ein elfstöckiges Gebäude aufzunehmen, bietet also genügend Platz für Zwischendecks, Wohn- und Schlafräume. Koppelt man zwei oder mehrere dieser Tanks zusammen, kann der Raum beliebig erweitert und der gesamte Komplex in Rotation versetzt werden um dadurch künstlich Schwerkraft zu erzeugen.
Start mit oder ohne Ausrüstung
Wie aber kommt die Ausrüstung für die Tanks ins All? Denkbar und ökonomisch sinnvoll wäre ein sogenannter "Wet Launch". Dabei wird das Innere des Tanks mit den gewünschten Zwischenböden, Möbeln und anderen fixierbaren Gegenständen ausgerüstet und dann mit den normalen Raketentreibstoffen gefüllt. Einmal im All angekommen, werden die Treibstoffreste (Sauerstoff und Wasserstoff) abgepumpt und nach und nach weitere Module angekoppelt und die Ausrüstung ergänzt.
Eine zweite Variante, der sogenannte "Dry Launch", ist nicht neu: Das Weltraumlabor Skylab das ebenfalls aus einem externen Tank bestand, wurde auf der Erde mit allen Laborutensilien ausgerüstet und dann leer als Nutzlast einer Transportrakete in den Orbit geschossen.
Die NASA reagiert
Auf Drängen verschiedener privater Initiativen hatte Ende der 1990er auch die NASA das Konzept einer kommerziellen Wiederverwertung der externen Tanks untersucht. Das Ergebnis war erheblich positiver als zunächst angenommen. Allerdings müsste das Space Shuttle für das Manöver zum gezielten Abstoßen der Außentanks mehr von dem kompakten, aber sehr schweren Hydrazin-Treibstoff an Bord haben. Diese Tonne mehr Gewicht aber ginge zu Lasten der Nutzlast – wertvoller und bezahlter Ladung.
Die amerikanische Weltraumbehörde bot sich damals sogar an, ihre Tanks kostenlos für Weiternutzung im All zur Verfügung zu stellen. Allerdings knüpfte sich dieses Entgegenkommen an feste Bedingungen: Im Orbit muss der Tank von einem automatischen oder bemannten System eingesammelt und in Empfang genommen werden, das Abpumpen des restlichen Treibstoffes muss gesichert sein und die Innenausstattung darf erst im Orbit erfolgen.
Ende der Shuttle-Ära, Ende der Außentank-Träume?
Angesichts des nahen Endes der Space Shuttle- Ära scheinen sich diese Überlegungen heute weitestgehend erledigt zu haben. Allerdings haben zwei Angehörige eines der wichtigsten Raumfahrtunternehmen der USA, der "Martin Marietta Manned Space Systems", ein Konzept entwickelt, um einen "Wet Launch" eines "möblierten" Außentanks auch ohne Zuhilfenahme des NASA Space Shuttles zu bewerkstelligen.
Die Realisation einer Außentankkolonie scheint zumindest privaten Investoren offenbar weitaus weniger fantastisch als sie vielleicht klingt: Immerhin kündigte der Hotelkonzern Hilton bereits im Oktober 1999 an, er werde sich als erster Sponsor an einem zukünftigen Weltraumhotel beteiligen. Auch die Fluglinie British Airways meldete bereits Interesse an…
Stand: 22.09.2006