Die Reformpolitik Peters des Großen hatte in Russland einen Boom der Montan-Industrie in Gang gesetzt. Von den 200 während der Amtszeit des Zaren gegründeten Manufakturen gehörte ein Drittel zur Metallurgie. Diesem Trend hatte Lomonossow es schließlich auch zu verdanken, dass er nach Deutschland geschickt worden war.
Dass sich diese Investition für Russland später lohnt, zeigt der Physiker, Chemiker und Mathematiker mit seinen Niederschriften zur Geologie. In der Mitte des 18. Jahrhunderts ist die Erdkunde als Naturwissenschaft in Russland noch so gut wie nicht entwickelt. Lomonossow liefert mit seiner „Rede über die Entstehung der Metalle durch Erdbeben“ und mit den Schriften „Über den natürlichen Wetterzug in den Bergwerken“ oder „Über die Erdschichten“ zugleich Grundlagenwissen für den Bergbau als auch neue Erkenntnisse über die Entstehung der Erde.
Handbuch für den Bergbau
Als regelrechtes Handbuch der angewandten Geologie gilt schon bald sein Werk „Erste Grundlagen der Metallurgie und des Bergbaus“. Hier präsentiert Lomonossow eine Übersicht über die im Bergbau relevanten Mineralien, Metalle und Erzsorten. Gleichzeitig gibt er Instruktionen, wie Erzlagerstätten zu finden sind. Anhaltspunkte für Erzgänge können demnach beispielsweise sein, „zerbrochene Minerale, die in Gebirgsbächen mitgeführt werden“, „kräftige rote, blaue, grüne oder gelbe Farben im Boden“ oder „kränkliche Bäume, auffällig niedrige Gewächse oder Pflanzen mit blassen Blattfarben“.
Lomonossow spricht sich konsequent gegen den Gebrauch der Wünschelrute aus und weist ihre Unbrauchbarkeit bei der Erzsuche nach. Er beschreibt zudem die nötige Ausrüstung von Bergwerksanlagen, das Probieren der Erze und die verschiedenen Hüttenprozesse. Die Akademie der Wissenschaften ist von dem Werk so begeistert, dass sie das Handbuch an alle Berg- und Hüttenwerke in den Ural, den Altai und alle anderen Gebirge Russlands sendet, um den Manufakturbesitzern und Bergleuten das Wissen zur Verfügung zu stellen.
Auf den Vorschlag Lomonossows hin, fordert die Akademie die Bergwerke darüberhinaus dazu auf, Proben von Mineralien und Erzen aller Fundorte in Russland nach Petersburg zu senden. Lomonossow will die Proben analysieren und einen kompletten Gesteins-Katalog für Russland zusammenstellen. Die Resultate sollen dann zum Nutzen der Allgemeinheit veröffentlicht werden.
Und nebenbei – Grundlagenforschung
Für Lomonossow soll die Geologie aber keineswegs nur einen praktischen Nutzen für den Bergbau haben. Genau so wichtig sind ihm die Erkenntnis und das Verständnis der natürlichen Prozesse, die die Rohstoffe und überhaupt die Erde geschaffen haben.
Er bedauert deshalb, dass die Bergarbeiter selbst die geologischen Phänomene viel zu wenig beobachten – könnten dabei doch jede Menge Erkenntnisse gewonnen werden. „Die jungen Leute, die herkommen, um den Bergbau zu studieren, vertiefen sich mehr in die praktische Arbeit und wissen nicht, was sie beobachten müssen, um die physische Geographie zu erklären; die alten und erfahrenen Leute können sich nicht mehr zu interessanten Beobachtungen aufraffen.“
Seine Schrift „Über die Erdschichten“ gibt im Wesentlichen den Stand der geologischen Erkenntnisse des 18. Jahrhunderts wieder. Hier beschreibt Lomonossow nicht nur die Phänomene der Erdoberfläche und der Gesteinsschichten, sondern geht auch bzw.vor allem ihren Ursachen auf den Grund.
Er differenziert bereits zwischen exogenen Kräften wie Wind, Regen, Flüssen, Frost, Eis, und endogenen Ursachen wie Erdbeben und Vulkanausbrüchen, von denen die Erscheinungsform der Erde beeinflusst wird.
Modernes Weltbild
Durchaus nicht selbstverständlich zu Lomonossows Zeit ist die Idee von der Geschichte der Erde. Lomonossow geht davon aus, „dass die Umwandlung und das Entstehen der Dinge in der Natur lange Zeit und viel mehr Jahrhunderte in Anspruch nimmt, als unsere kirchliche Zeitrechnung gewöhnlich annimmt.“ Lomonossow fördert mit seinen fortschrittlichen Ansichten zur Erdgeschichte, dass sich das historische Denken auch in der Geologie durchsetzt.
Stand: 28.07.2006