Wer in diesem Jahr irgendwo in Europa Kaspischen Beluga-Kaviar aus frischer Ernte serviert bekommt, kann sicher sein: das ist Schmuggelware. Denn erstmals darf 2006 offiziell nicht ein einziges Gramm aus dem aktuellen Fang der edelsten aller Kaviarsorten nach Europa importiert werden.
Lediglich Iran, Rumänien und Serbien-Montenegro haben von der Cites Quoten für Wildkaviar erhalten. Darüber hinaus ist auch der Handel mit Kaviar aus Aquakultur, also Zuchtkaviar, verschiedener Länder erlaubt. Doch Gourmets wissen: Die beste Qualität hat schwarzer Kaviar vom Belugastör aus dem Kaspischen Meer, und der wird nur von Russland, Kasachstan und Aserbaidschan gehandelt.
„Die drei Länder haben keine wissenschaftlich fundierten Angaben gemacht, wie sie die Störbestände im Kaspischen Meer bewirtschaften und den Schmuggel unterbinden wollen,“ begründet Michael Williams vom Cites-Sekretariat in Genf die Entscheidung. „Die komplette diesjährige Kaviarernte von Kasachstan, Russland und Aserbaidschan ist damit für den Export tabu.“
Limitierter Handel in 143 Staaten
Quoten für den Kaviar – seit neun Jahren wird der legale Handel mit der Delikatesse auf diese Weise limitiert. 1997 hatte die Cites, die weltweit über den Handel mit Produkten gefährdeter Arten wacht, erstmals Quoten für Störprodukte verhängt. Seitdem werden in Abstimmung mit den exportierenden Ländern jedes Jahr die erlaubten Handelsmengen für Kaviar und Störfleisch verkündet.
Dadurch soll unkontrollierte Handel mit Kaviar verhindert werden, vor allem aber will man Wilderei und Überfischung unterbinden. Deshalb wird jedes Kilo Kaviar und jedes Kilo Fleisch vom Stör in den Exportländern von den jeweiligen Cites-Behörden registriert. Wird innerhalb der 143 Cites-Mitgliedsstaaten Kaviar ohne gültige Cites-Papiere gefunden, sind die Zollämter verpflichtet, die Ware zu konfiszieren. Doch das bisherige System ist nicht ganz unumstritten.
Manipulierte Daten?
Laut Traffic, einer Organisation, die Cites bei der Umsetzung der Handelsbeschränkungen unterstützt, wurden in Europa zwischen den Jahren 2000 und 2005 mehr als 15 Tonnen illegal eingeschmuggelten Kaviars gefunden. Experten gehen jedoch davon aus, dass die Kontrollen nur einen Bruchteil der Schmuggelware erfassten und der Schwarzmarkt mindestens genau so groß sei wie der legale. Europa ist weltweit der größte Importeur für Kaviar, allein zwischen 1998 und 2003 wurden 718 Tonnen importiert, pro Jahr also, trotz sinkender Tendenz, durchschnittlich knapp 120 Tonnen.
Kritiker werfen Cites darüber hinaus vor, sich bei den Angaben über die Situation der Bestände zu häufig ungeprüft auf die exportierenden Länder zu verlassen. Diese könnten sich mit falschen Angaben höhere Quoten sichern, der nötige Schutz der Fische liefe ins Leere. So meldete Cites beispielsweise aufgrund russischer Daten, dass sich die Beluga-Störe von 2001 bis 2002 erholt hätten und ihr Bestand von 9,3 Millionen auf 11,6 Millionen gestiegen sei, immerhin um 25 Prozent
Angesichts der langen Reproduktionszeiten der Belugas – erst mit 18 Jahren werden die Fische geschlechtsreif – sprachen Wissenschaftler schlicht von einer Übertreibung. Auch Experten aus Russland und Kasachstan bestätigten, dass die Beluga-Bestände seit Jahren sinken würden und man von einer Erholung des Bestands nicht sprechen könne.
Neue Kaviar-Label in EU
Obwohl die Quoten, solange sich völlige Fangstopps aus wirtschaftlichen oder politischen Gründen nicht durchsetzen lassen, zumindest ein Schritt zum Schutz der Störe sind, werden die Rettungsversuche ohne wirklichen Willen vergeblich sein.
Die USA haben den Import von Kaspischem Beluga deshalb schon völlig verboten. In der EU wird ab dem 10. Juli eine neue Kennzeichnungspflicht für Kaviar eingeführt. Jede Dose muss dann mit Angaben über Herkunftsland, Produzent, Erntejahr und einer eindeutigen Cites-Kontrollnummer versehen sein. Zumindest die Kontrolle der Kaviarimporte soll so erleichtert werden.
Stand: 30.06.2006