Jeder will den Müll haben – aber nur wer den besten Preis bezahlt, bekommt ihn auch. Der Wert von Industrieabfällen und mittlerweile auch des Haushaltsmülls unterliegen den Regeln des freien Marktes, weil sich damit Geld verdienen lässt. Wie viel, ist abhängig von der Qualität, der Menge und dem aktuellen Preis für die Neuware. Und die wird durch die Verknappung der Rohstoffe und den Anstieg des Ölpreises immer teurer.
Von dem Restmüll aus den Haushalten ist vor allem der Kunststoff für die Müll-Händler interessant. Kostete eine Tonne neu produziertes Polypropylen (PP) im April 2003 noch etwa 900 Euro ist es drei Jahre später bereits 1.200 Euro. Ein Preisanstieg, angesichts dessen die Hersteller sich noch weitere Materialquellen wünschen. Am besten solche, die nichts kosten – weil andere sie wegwerfen. Etwa CD-Hüllen, Trinkhalme und Verpackungen, die, allesamt aus Polypropylen, nach Gebrauch in den Müll kommen.
Müll, der ab Juni 2005 den Verbraucher teuer zu stehen kommt. Denn seitdem darf in Deutschland kein Restmüll mehr auf die Deponie gekippt werden, ohne vorher teuer aufbereitet zu werden. Als Folge hat sich der Ansturm auf die Müllverbrennungsanlagen verdoppelt bis verdreifacht. Dies wurde kürzlich auch als Argument für die Preissteigerung der Abfallgebühren bemüht, um die Sammlung und Entsorgung von Restmüll zu finanzieren.
Auch Müll kostest Geld
Dabei sind die Hersteller durchaus bereit für den Müll zu zahlen. Schließlich ist der recycelte Rohstoff ebenso geeignet wie neu produzierter Kunststoff und nur halb so teuer. Erzielte 2003 wiederverwertetes Polypropylen 35 Prozent des Neupreises, bezahlt die Industrie seit April 2006 mit 550 Euro pro Tonne knapp die Hälfte des Preises für neuwertigen Kunststoff. Einerseits ein Argument für die Produzenten, das günstigere Recyclat zu verwenden, andererseits ein Grund mit Sekundärrohstoffen zu handeln.
Die Verbraucher wollen den Kunststoffmüll loswerden und die Hersteller wollen ihn haben: ein Job für Müll-Händler. Die Entsorger sortieren den Kunststoff aus dem Müll, waschen und häckseln ihn und verkaufen das Granulat wieder an die Hersteller.
Mit einigen Zusatzstoffen die das Produkt stabil, farbig oder kratzfest machen, wird die recycelte Verpackung so zum Fahrradhelmwerden PET-Flaschen zu Fleece-Pullovern, Joghurtbecher zu Glassichtfolien und CD-Hüllen zu Cockpitteilen – ein Kreislauf, der nicht mehr ausschließlich politisch oder ökologisch gewollt ist, sondern der sich durch den Preisdruck einen eigenen Markt geschaffen hat.
Ist es also nur eine Frage der Zeit, bis die Verbraucher keinen Preisaufschlag mehr für Kunststoffprodukte oder Elektrogeräte zahlen müssen, damit diese entsorgt werden? Bis Müll-Händler den Haushalten direkt den Kunststoffmüll abkaufen? Vielleicht werden sogar die Abfallgebühren wegfallen, weil Müll ein so wertvoller Rohstoff geworden ist, dass seine Wiederverwertung die Kosten der Sammlung und Sortierung aufwiegen?
Stand: 09.06.2006