Die Halle ist erfüllt vom hydraulischen Zischen und mechanischem Quietschen zwischen rasenden Förderbändern und klappernden Metallkörben. Während der Joghurtbecher direkt aus dem Sammelauto auf einem Gummiband landet, schneidet oder reißt eine Walze noch andere Verpackungen aus gelben Säcken. Zahnpastatuben über Einwegflaschen, Kronkorken zwischen Saftkartons und mittendrin auch vereinzelt noch Zeitung, Glas und Bierdosen. Bis zu 40 Prozent der Inhalte sind falsch einsortiert. Ein Müllhaufen, der so weder verwertbar noch verkaufbar ist. Aber das wird sich nach der Achterbahnfahrt durch die Sortieranlage ändern.
Der Joghurtbecher rast auf dem Förderband der ersten Wegscheide entgegen: Kleine Verpackungen fallen durch ein überdimensionales Sieb nach unten, während die größeren Teile ihren Weg weiter oben fortsetzen. Es folgt ein Luftstrahl, der die Kleinsten und Leichtesten auf ein anderes Band bläst. Auf einer Schräge bleiben Folien und flaches Material liegen, während dreidimensionale Körper wie der Joghurtbecher in einen Korb purzeln. Magneten saugen Konservendosen aus Weißblech heraus, während es das Aluminium im „Weitsprung“ auf ein eigenes Förderband schafft. Dafür laufen die nicht-magnetischen aber leitfähigen Metalle über ein magnetisches Feld abwechselnder Nord- und Südpole, wodurch in den Verpackungen elektrische Spannung entsteht. Der Strom läuft immer im Kreis, so dass er selbst als „Wirbelstrom“ zu einem elektrischen Magneten wird. Während die nichtmetallischen Verpackungen am Ende des Förderbandes hinunter fallen, werden die elektrisierten Metalle von dem magnetischen Rad abgestoßen und erreichen per „Weitsprung“ ein anderes Sortiersystem.
Das Chaos auf dem Förderband hat sich gelichtet. Der Joghurtbecher hat seinen Deckel verloren und kullert mit der Einwegflasche und der Milchtüte auf dem schwarzen Gummiband. Um die unterschiedlichen Kunststoffe voneinander zu unterscheiden „scannen“ modernste High-Tech Sensoren ihre Zusammensetzung. Ein Nahinfrarot zeichnet das charakteristische Spektrum des Kunststoffs auf, und vergleicht es mit einer Datenbank. Je nach Ergebnis bläst eine Luftdüse beispielsweise die Einwegflasche aus Polyethylenteraphthalat (PET) nach links und den Joghurtbecher in den Kasten für Polypropylen (PP).
So gut sortiert hat der ehemalige Verpackungsmüll wieder eine Zukunft: als Sekundärrohstoff. Gewaschen und zu Granulat zerkleinert verkauft der Entsorger den Kunststoff an die Hersteller von Plastikstühlen und Spielzeug oder nach China zur Produktion von Fleece-Pullovern. Je besser die Trennung, desto höher ist der Preis. Daher kommt der teuerste Müll aus Anlagen, die nur eine Sorte von Kunststoff bearbeiten. Daher stehen etwa aussortierte PET-Pfandflaschen hoch im Kurs – der Abfall ist reinstes Polyethylenteraphalat.
Einmal eine Flasche immer eine Flasche
Der meiste recycelte Kunststoff ist jedoch leicht vermischt, weshalb daraus keine Verpackung von Lebensmitteln hergestellt wurde. Die nicht vollständige Sortenreinheit widersprach den strengen Hygienevorschriften für Kunststoffe im Kontakt mit Nahrung. Keine Rückkehr für den Joghurtbecher in das Kühlregal. In Ländern wie Australien, Neuseeland, Chile aber auch Belgien, Schweden und der Schweiz ist daher das Multi-Layer-Verfahren für PET-Flaschen verbreitet. Nach außen schützt recycelter Kunststoff während innen eine dünne Schicht aus neu produziertem PET die Hygiene wahrt.
Gleichzeitig hat nur PET eine gute Chance recycelt wieder im Lebensmittelbereich verwendet zu werden. Da es anders als die meisten Kunststoffe nur aus einem Material-Gebinde besteht, ist es robust genug für eine chemischen Reinigung. Nach einer Vorbehandlung ätzt Natronlauge auch die Schmutzpartikel weg, die sich in die Oberfläche der Granulate eingenistet hatten. Sauber genug für ein neues Leben als Flasche.
Gemischte Kunststoffverpackungen, die mechanisch nicht voneinander trennbar sind, können trotzdem seit kurzem auch rohstofflich wiederverwendet werden. Die Kunststoffe ersetzten beispielsweise Schweröl als Brennzusatz in Hochöfen und entziehen Eisenerz Sauerstoff, wodurch Roheisen als Vorprodukt für Stahlerzeugnisse entsteht.
Ein völlig neues Patent erprobt zurzeit ein amerikanischer Hersteller in einer Pilotanlage in Wegberg-Wildenrath bei Mönchengladbach. Dort soll aus Altöl und Kunststoffmüll bald Heizöl und Diesel produziert werden. Bei dem Verfahren, das dem Spalten von Rohöl ähnelt, werden die Polymere der Kunststoffe voneinander getrennt. Bei Temperaturen von 400 Grad Celsius werden die Kohlenwasserstoffketten aufgespaltet, die anschließend verdampfen und sich in einem Kondensator als Dieselöl niederschlagen.
Stand: 09.06.2006