Ein weiterer Praxistest, an dem Peter Todd vom Max- Planck-Institut für Bildungsforschung momentan arbeitet, ist die Nachstellung der Sekretärsaufgabe in Speeddating-Situationen. Dabei treffen sich 20 bis 30 Singles (Geschlechterverhältnis 50 zu 50) in einer Kneipe, wobei jeder Mann mit jeder Frau ein zeitlich begrenztes Gespräch führt. Danach kreuzt jeder auf einem Zettel an, wen er gerne näher kennen lernen würde. Solche Treffs müssten allerdings unter wissenschaftlichen Konditionen so gestaltet werden, dass sich die Teilnehmer nicht – wie beim realen Speeddating – bereits vor dem Zusammentreffen schon zu Gesicht bekommen.
Bei allem Aufwand im Detail ist das Ziel der Modellierungen im Grunde recht bescheiden. Die Konstruktionen sollen lediglich zeigen, nach welchen psychologischen Mechanismen sequenzielle Partnerwahl möglich wäre. Welche Mechanismen also Resultate hervorbringen, die dem, was wir in der Wirklichkeit beobachten können, entsprechen; und die von plausiblen Annahmen ausgehen, was die psychologischen Dispositionen und kognitive Kapazität des Einzelnen betrifft. Dass Partnerwahl eine durchweg rationale Angelegenheit ist, soll damit nicht behauptet werden. Im Gegenteil: Peter Todd und Geoffrey Miller vermuten, dass gerade Gefühle wie Liebe uns möglicherweise als ein Trick der Natur anzeigen können, wann wir bei der Wahl unser Ziel erreicht haben und es vernünftig ist, die Suche zu beenden.
Andererseits hängt eben doch nicht alles nur von Liebe ab. Obwohl die Modelle, mit denen Peter Todd die verschiedenen Rezepte der sequenziellen Entscheidung austestet, eigentlich nicht mehr tun, als im besten Fall zu beschreiben, wie Prozesse der Partnerwahl funktionieren könnten, lassen sich aus ihnen einige handfeste Tipps und Regeln für den Alltag ableiten.
Strategien der Partnersuche
Welche Strategie bei der Partnersuche die richtige ist, hängt stark vom eigenen Marktwert ab. Das übrigens ist der Punkt, den die populären Datingratgeber gerne verschweigen. Anstatt einen Test zur Abschätzung des eigenen Attraktivitätswerts anzubieten, geben sie lieber darin Hilfestellung, die eigenen Vorlieben und das Profil des Wunschpartners herauszuarbeiten. Die unangenehme Wahrheit ist: Selbst wenn man seinen Traumpartner fände, würde dieser einen sehr wahrscheinlich nicht an seiner Seite haben wollen.
Die risikoreiche 37-Prozent-Strategie sollten deshalb ausschließlich Männer vom Schlage Brad Pitts verfolgen – und auch die müssten damit rechnen, im Schnitt erst einmal mehrere Dutzend Kandidatinnen zu sichten, um ihre Traumfrau zu finden. Davon abgesehen gilt ganz generell: Wer zu lange sucht, ohne sich zu entscheiden, geht am Ende leicht leer aus. Denn mit fortgesetzter Suche sinkt die Zahl freier Partner, während die eigenen Ansprüche steigen.
Schuhe können nicht nein sagen
Was die Schuhe betrifft, sind die Aussichten etwas rosiger: Schuhe können nicht Nein sagen. Wer sich die ersten zwölf Paar – womöglich noch in verschiedenen Läden – anschaut, um sich eine Meinung zu bilden, und erst danach mit der eigentlichen Auswahl beginnt, hat eine 90-Prozent-Chance auf ein Paar, das an Preis, Qualität, Bequemlichkeit, Optik oder was auch immer im oberen Viertel liegt. Allerdings muss man bei dieser Methode damit rechnen, im Durchschnitt insgesamt 30 Paar Schuhe anzuprobieren, bis man einen Treffer landet. Mit weniger ist es nicht getan, daran lässt sich auch mit bounded rationality nichts drehen. Aber hat jemals jemand etwas anderes behauptet?
Stand: 12.05.2006