Technik

Warum der Erfolg bisher ausblieb

Interview zu Sensornetzen in der Praxis

Dr. Michael Beigl ist Forschungsdirektor am TecO, einem Forschungsverbund, der an der Universität Karlsruhe angesiedelt ist und unter anderen eng mit der Entwicklungsabteilung von SAP zusammenarbeitet. Das TecO ist in Europa eines der führenden Forschungszentren im Bereich drahtloser Sensornetze.

g-o.de:

Herr Beigl, woran liegt es, dass drahtlose Sensornetze noch weitgehend Zukunftsmusik sind und wirklich „unsichtbare" winzig kleine Motes bisher nicht zum Einsatz kommen?

Beigl:

Der entscheidende Punkt ist das Kostenproblem – Sensornetze sind bisher schlicht zu teuer. Zurzeit kosten die billigsten Sensorknoten 20 Euro. Da Sie aber immer mehrere brauchen, wenn möglich, einige Dutzend, gelangen Sie zu einem Preis, der sich zu einem erheblichen Kostenfaktor auswächst. Technisch machbar ist schon sehr viel, auch winzige Sensorknoten von einem Kubikmillimeter können gebaut werden. Nur ist dies eine Frage des Preises. Die hohen Stückkosten rentieren sich nicht, wenn es keinen Bedarf für solche Produkte gibt und deshalb keine Massenproduktion anläuft. Und der Bedarf muss eben erst noch entstehen.

g-o.de:

Gibt es Einsatzgebiete, in den Sensornetze heute schon fast zum Alltag gehören, oder bald Einzug halten werden?

Beigl:

In der Haustechnik sind Sensorknoten heute bereits recht weit verbreitet, beispielsweise in Klima- oder Alarmanlagen. Dort sind die bisherigen „dummen Sensoren“, die auf eine bestimmte Variable nur reagieren, teilweise schon durch intelligente Sensornetze abgelöst worden. Es gibt auch Ansätze, Sensorknoten mit verschiedenen Sensoren serienmäßig in Lichtschalter einzubauen, so entstehen keine Mehrkosten durch eine zusätzliche Installation der Sensoren.

g-o.de:

Denken Sie, dass es seitens der Unternehmen, die Sensornetze nutzen könnten, eine gewisse Skepsis gibt, die Technologie einzuführen?

Beigl:

Wie gesagt, der entscheidende Faktor ist das Preisargument. Technikangst würde ich eher nicht vermuten. Auch andere Technologien haben ihre Tücken. Selbst Telefonanlagen laufen nicht immer hundertprozentig zuverlässig.

g-o.de:

Welche Vorteile haben drahtlose Sensornetze?

Beigl:

Die Vorteile sehe ich darin, feinmaschig Informationen zu erhalten aus Bereichen und in Größenordnungen, die bisher unerreichbar waren. Beispielweise wäre die Feinstaubmessung in Städten mit Sensornetzen in Messabständen von 500 Metern möglich, über die gesamte Stadt verteilt. So etwas ist heute kaum machbar. Hinzu kommen die geringen Installationskosten. Anstatt ein großes Computernetzwerk zu konfigurieren und zu administrieren, müssen die Sensorknoten nur „ausgesetzt“ werden. Vernetzen können sie sich allein.

g-o.de:

Welche Nachteile gibt es?

Beigl:

Ganz klar – der größte Nachteil bisher ist die Energieversorgung. Solange die Stromzufuhr nicht aus so genannten parasitären Energiequellen erfolgt, also durch Photovoltaik, Temperaturgradienten oder Bewegung, werden die Sensorknoten nicht kleiner werden und nicht billiger. Außerdem ist eine andere wichtige Ressource begrenzt – das Frequenzspektrum. Das wird dazu führen, dass irgendwann der Funkverkehr nicht weiter ausgebaut werden kann, weil bereits alle Kanäle belegt sind.

g-o.de:

Wie schätzen Sie das Schadenspotential der Sensornetze auf den menschlichen Organismus ein, könnte nicht beispielsweise ein Krebsrisiko bestehen?

Beigl:

Das ist noch Forschungsgegenstand, aber nach dem, was wir wissen, ist die Gefahr gering. Der Grund sind zum einen die geringen Abstrahlleistungen, zum anderen die nur sehr kurze Funkzeit dieser Knoten. Aus Energieverbrauchsgründen werden diese

Knoten zwar praktisch immer „an“ sein und auf wichtige Ereignisse lauern, aber nur sehr selten tatsächlich arbeiten und noch seltener funken. Und wenn Sie funken dann nur für ein paar Milli- oder

Mikrosekunden. Zum Vergleich: Ein kabelloses Telefon, das Sie im Haus verwenden, sendet mit circa vier Watt, und zwar dauerhaft, wenn Sie telefonieren. Ein Sensorknoten funkt nur selten mit etwa 0.001 Watt.

g-o.de:

Wann, denken Sie, werden Sensornetze so selbstverständlich sein, wie heute Handys und PCs?

Beigl:

Das ist eher eine Frage der Wahrnehmung als der Technologie und damit schwer zu beantworten. Ich würde die Frage daher eher auf „Unverzichtbarkeit“ beziehen. Dies dürfte insbesondere mit dem Einzug der Technologie in die Medizintechnik der Fall sein. So in sieben bis zehn Jahren dürfte hier ein nennenswerter Marktdurchdringungsgrad in der westlichen Welt erreicht sein, der diese Technologie für uns unverzichtbar erscheinen lassen wird.

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Stand: 31.03.2006

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Inhalt des Dossiers

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