Tierische Eindringlinge haben es nicht leicht. Dies gilt auch für Termiten, die zufällig oder absichtlich das Territorium einer anderen Art betreten. Überall am Bau und in dessen Umgebung lauern Wachtposten, die nichts anderes zu tun haben als Feinde aufzuspüren und – wenn nötig – zu vertreiben oder zu töten.
Doch woran erkennen die wehrhaften Soldaten im Gewimmel des Termitenstaates, ob es sich beim Gegenüber um einen Freund oder einen Feind handelt? Und wie alarmieren sie Hilfe, wenn ein größerer Überfall droht? Mit solchen und anderen Fragen beschäftigen sich Wissenschaftler wie Manfred Kaib von der Universität Bayreuth.
Eine optische Wahrnehmung von potenziellen Gegnern ist ausgeschlossen, denn die Soldaten besitzen keine funktionstüchtigen Augen und sind in der Regel völlig blind. Stattdessen benutzen die Termiten nach den Ergebnissen der Wissenschaftler eine chemische Sprache. Ein Art- oder sogar Kolonie-spezifischer Mix aus Kohlenwasserstoffen, der als Wachsschicht den Körper überzieht, lässt die Soldaten schnell und sicher „erschnüffeln“, ob es sich um einen Nestgenossen oder um einen Angreifer handelt.
Je ähnlicher die Wachse auf der Körperoberfläche, desto eher sind Termiten jedoch bereit, den Eindringling zu tolerieren und auf einen Kampf zu verzichten. „Diese Signale werden nicht von der Umwelt geprägt, sondern sind weitgehend genetisch festgelegt; je weniger Individuen verwandt sind, um so mehr bekämpfen sie sich“, so Kaib im Jahr 2004 in SPEKTRUM, dem Forschungsmagazin der Universität Bayreuth.
Um nach dem Aufspüren des Feindes Alarm zu geben, benutzen viele Termiten ebenfalls spezielle Sekrete, die von den Stammesgenossen eindeutig identifiziert werden. Manche Termitenarten trommeln aber auch mit Hilfe von Klopfgeräuschen weitere Soldaten herbei, um das eigene Territorium zu verteidigen.
Tolerieren statt bekämpfen
Längst nicht immer kommt es dabei zu kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen benachbarten Termitenkolonien, wenn die Chemie nicht stimmt. Dies hat Kaib in den letzten Jahren bei Experimenten mit afrikanischen Termiten herausgefunden. Verschiedene Kolonien dieser Art in den Küstenwäldern Kenias tragen sehr unterschiedliche Wachse auf der Oberfläche und leben trotzdem viel friedlicher als die meisten menschlichen Nachbarn nebeneinander.
Offenbar reicht es den Termiten zu erkennen, dass es sich zwar nicht um Nestgenossen, aber immerhin um gute Bekannte handelt, um auf Aggressionen zu verzichten. Echte Eindringlinge, die ihnen womöglich das mühsam erkämpfte Territorium streitig machen könnten, werden dagegen auf heftigste bekämpft.
Die Wissenschaftler um Kaib vermuten, dass „volkswirtschaftliche“ Gründe für diese Duldung von anders riechenden Nachbarn ausschlaggebend sind. Ständige Termitenkriege und ausdauernde Gefechte unter Beteiligung zahlreicher Individuen, so die Forscher, würden Unmengen an Energie und anderen Ressourcen verbrauchen, die sonst beispielsweise für die Nahrungssuche oder Reparaturen am Nest genutzt werden könnten. „Die Termiten führen offensichtlich eine Kosten-Nutzen-Kalkulation durch und kämpfen erst, wenn die Existenz des Staates bedroht ist“, so Kaib.
Kommt es zum Kampf, setzen die Termiten ein erstaunliches Arsenal an chemischen Waffen ein. Sie verspritzen beispielsweise Gifte auf Gegner wie Ameisen oder injizieren die Substanzen direkt in den Körper der Feinde, um sie zu lähmen oder direkt zu töten.
Riechen ist Trumpf
Die Verteidigung des Staates ist jedoch nicht der einzige Bereich in dem Termiten ganz auf die Chemie setzen. So spielen Düfte beispielsweise bei der Brutpflege, dem Nestbau oder anderen kollektiven Leistungen von Termiten eine wichtige Rolle. Die chemischen Substanzen, so genannte Pheromone, werden in den Drüsen der Tiere gebildet und von einzelnen Individuen gezielt abgegeben und von anderen problemlos verstanden.
Ein Beispiel: Entdeckt ein Arbeiter etwas Brauchbares zum Fressen – beispielsweise kleine Äste oder Blätter – eilt er sofort zum Nest zurück, um Alarm zu schlagen und eine Transport-Mannschaft zu organisieren.
Damit die blinden Träger den Weg zur Nahrung auch wieder erkennen, setzt der erfolgreiche Finder auf dem Rückweg zur Kolonie regelmäßig spezielle Duftmarken auf den Boden. Die Spurpheromone dienen anschließend den anderen Termiten quasi wie der Mittelstreifen einer Straße als Wegweiser zum Ziel.
Stand: 17.03.2006