Weiße Haie sind nicht nur Langstreckenschwimmer und Tiefseetaucher, sondern auch unvergleichliche Kältespezialisten. Sie fühlen sich nicht nur in den 26 Grad warmen Tropenmeeren wohl, sondern auch in vier Grad kalten Gewässern – eine Temperatur bei denen Menschen das Herz stehen bleibt. Zwei amerikanische Forschungsergebnisse erklären erstmals die Temperatur-Resistenz der Haie.
Das amerikanische Forscherteam vom Institut für Tagging Of Pazific Pelagics (TOGG) untersucht bereits seit 2002 die Widerstandsfähigkeit von Haien. Trotz Wassertemperaturen zwischen zwei und 24 Grad können sie immer kraftvoll und beweglich ihre Beute jagen, ohne dass ihnen einfach das Herz einfriert. Über drei Jahre lang beobachteten die Wissenschaftler 51 Lachshaie, die sie mit Satelliten-Sendern markiert hatten. Auch hier zeigten die Haie einen enorm weitläufigen Lebensraum: von den subarktischen Regionen Alaskas bis in die subtropischen Gewässer um Hawaii.
Die Lachshaie, die ebenso wie der Weiße Hai zu der kleinen Gruppe der Lamniformes, auch Makrelenhaie, zählen, halten sich selbst im Januar bei Temperaturen um fünf Grad wochenlang in den Gewässern vor Anchorage auf, und verbringen 70 Prozent ihrer Zeit bei Wassertemperaturen unter zehn Grad Celsius. Aber auch die Weißen Haie im warmen Indischen Ozean sind bei Ihren Tauchgängen ähnlicher Kälte ausgesetzt. Allen ist gemeinsam, dass ihre Körpertemperatur bis zu 20 Grad höher ist als das Wasser um sie herum. Wie Menschen, müssen die Haie ihre „Betriebstemperatur“ jedoch kontinuierlich aufrechterhalten. Die Wärme wird von dem komplexen Muskelapparat der Knorpeltiere erzeugt, indem sie ständig in Bewegung bleiben und große Mengen Nahrung zu sich nehmen. Würden Haie während ihrer Kaltwasser-Ausflüge aufhören zu schwimmen, wäre ihnen der Erfrierungstod sicher.
Muskelprotz mit einem warmen Kern
Im Gegensatz zu anderen Knorpeltieren tragen die Haie daher das Rote Muskelgewebe, verantwortlich für den Bewegungsapparat, nicht direkt unter der Haut, sondern nahe dem Rückrat im Körperzentrum. Nordamerikanische Wissenschaftler um Diego Bernal belegten mit ihren Forschungsergebnissen in der Oktoberausgabe vom Fachmagazin Nature 2005, dass der Muskelaufbau der Makrelenhaie ein Schlüsselfaktor für deren Überleben in den subarktischen Gewässern ist.
Für die Studie haben die Zoologen die Muskelwärme von Lachshaien im sechs Grad kalten Nordpazifik gemessen. Während bei der äußeren Glatten Muskulatur das Thermometer nur zehn Grad zeigte, war das innere Rote Muskelgewebe 26 Grad warm: eine optimale Betriebswärme für den Bewegungsapparat. Würde dieser selbst auf zehn Grad abkühlen, könnte er nur noch 25 bis 50 Prozent seiner Leistung produzieren. Daher bildet die Glatte Muskulatur, die die Blutgefäße und die Inneren Organe inklusive des Herzens umspannt, einen Isolationsgürtel um den warmen Kern. Das Wasser wird langsam nach Innen hin aufgewärmt und die Wärme der Bewegungsmuskulatur im Innern erhalten.
Daher muss das „Wärmekraftwerk“ der Roten Muskeln bei einer Wassertemperatur von unter fünf Grad zwar noch ausreichend Wärme produzieren. Das kalte Blut muss aber dennoch von den Augen, Finnen und äußeren Hautschichten erstmal zum Aufheizen in die warmen Körperzonen gepumpt werden. Folglich schießt das eiskalte Blut mit fast Außentemperatur in die Herzkammer, der sichere Tod für einen Menschen. Warum hält das Pumpwerk der Makrelenhaie diesen Kälteschock aus?
Die Projektleiterin bei TOGG, Barbara Block, erklärt: „Das Herz des Hais verlangsamt sich in der Kälte genauso wie unser eigenes. Aber während unser Herz dann aufhört zu schlagen, macht der Lachshai einfach weiter.“ In einer Veröffentlichung vom Oktober 2005 im Fachmagazin Science präsentieren die Wissenschaftler ihre Begründung: Ein spezielles Protein arbeitet bei Lachshaien auch bei extremer Kälte noch auf Hochtouren.
Das Pumpwerk des Herzens wird angetrieben vom Myokard-Muskel, der sich auf den Befehl eines elektronischen Impulses zusammenzieht und entspannt. Für eine fehlerfreie Übertragung des Impulses ist eine bestimmte Konzentration von Kalzium-Ionen innerhalb des Herzmuskels nötig, welche mithilfe des SERCA2-Proteins aus dem einströmenden Blut herausgefiltert werden. Bei fallender Außentemperatur kühlt das Blut ab und durch die Verlangsamung des Herzschlags sinkt die Konzentration der Kalzium-Ionen im Herzen. Da jedoch das SERCA2-Protein bei den Lamniformes pro Herzschlag zehn Mal so effektiv arbeitet wie etwa bei einem Blauhai, bleibt die Kalzium-Sättigung im Herzen sogar noch bei einer Bluttemperatur von unter vier Grad ausreichend hoch.
Stand: 10.02.2006