Prägung am Blauen Nil

Fünf Jahre Afrika

Als Baron Johann Wilhelm von Müller im Frühjahr 1847 im Pfarrhaus von Renthendorf in Thüringen auftaucht, ahnt der gerade 18jährige Alfred Edmund Brehm noch nicht, dass ihm dieser Besuch zu einer einmaligen Karriere verhelfen wird.

Eine einmalige Gelegenheit

„Vogelpastor“ Christian Ludwig Brehm © Brehmgedenkstätte

Der württembergische Baron ist auf der Suche nach einem Sekretär und Präparator für eine zoologische Forschungsreise nach Nordafrika. Als aussichtsreichster Kandidat erscheint ihm dafür Alfred Brehm, Sohn des weithin als „Vogelpastor“ bekannten Christian Ludwig Brehm, der im Laufe seines Lebens eine Sammlung von 9.000 Vogelbälgern zusammen getragen hat und unter Wissenschaftlern als angesehener Experte der Vogelkunde gilt.

Von Müller ist davon überzeugt, dass auch der Sohn bereits über ausreichend Sachkenntnis verfügt, denn er hat durch seinen Vater viel über Ornithologie gelernt. Er kennt die Vogeljagd und weiß die Tiere zu präparieren. Der Baron lädt ihn deshalb zu der Reise ein. Alfred hat zu dieser Zeit gerade seine Maurerlehre abgeschlossen und ein Architekturstudium begonnen. Bei den Eltern stößt der Vorschlag des Barons deshalb auf wenig Begeisterung. Doch die Aussicht, durch Alfred an seltene Exemplare der afrikanischen Vogelwelt zu gelangen, überzeugt Vater Brehm schließlich, den Sohn ziehen zu lassen.

„Ab-el-Kader“ und „Halil“ in Afrika

Die Reise führt die beiden jungen Männer zunächst nach Ägypten. Von Kairo und den Pyramiden geht es auf einer Barke nilaufwärts, an Luxor, Assuan und Abu Simbel vorbei. „Ab-el-Kader“ und „Halil“, wie sich die beiden Reisenden nun nennen, wollen in den Sudan, wo sie sich im Inneren des Landes reiche Jagd- und Sammelbeute versprechen.

"Mit gewaltigem Satze überspringt der Mächtige die Dornenmauer, um sich ein Opfer auszuwählen. Ein einziger Schlag seiner furchtbaren Pranken fällt ein zweijähriges Rind; das kräftige Gebiß zerbricht dem widerstandslosen Thiere die Wirbelknochen des Halses. Dumpfgrollend liegt der Räuber auf seiner Beute; die lebhaften Augen funkeln hell vor Siegeslust und Raubbegier; mit dem Schwanze peitscht er die Luft. Er läßt das verendende Thier auf Augenblicke los und faßt es mit seinem zermalmenden Gebisse von neuem, bis es sich endlich nicht mehr regt. Dann tritt er seinen Rückzug an.“ © Brehmgedenkstätte

Hinter Khartum, der sudanesischen Hauptstadt, beginnt für sie ein monatelanger Ritt auf Kamelen durch Wüste und Savannen. Dabei lernen der Baron und Brehm nicht nur Gazellen, Hyänen, Marabus und Strauße kennen, sondern auch giftige Skorpione, dornige Savannengräser und Fata Morganen. Brehm holt sich zudem eine Malaria, die ihn fast das Leben kostet.

Ende Oktober 1848 kehrt die Expedition reich beladen mit sorgsam präparierten Trophäen nach Kairo zurück. Von hier begibt sich der Baron auf die Heimreise, während Alfred in Ägypten bleibt, um den Kostenvoranschlag für eine zweite Expedition zu erstellen. Auch Baron von Müller will sich an der Suche nach den noch immer unbekannten Nilquellen beteiligen und dafür nach Afrika zurückkehren. Am 1. Juli 1850, so der Plan, wolle man sich in Khartum wieder treffen.

Die Hand des Schicksals

„Hoch auf der Spitze eines Baumwipfels sitzt der „Abu Tok“ der Eingeborenen, ein kleiner Nashornvogel, ruft sein „Tok“ laut in die Wildnis hinaus und begleitet jeden Laut mit einer tiefen Neigung seines durch den unverhältnismäßig großen Schnabel beschwerten Kopfes. Nur diesen einen Laut hat er in seiner ungefügen Kehle, und mit ihm muß er dem umworbenen oder verbundenen Weibchen ebenso verständlich seine Liebe erklären, wie die Nachtigall die ihrige mit ihrem bezaubernden Liede.“ © Brehmgedenkstätte

Alfred Brehm, nun selbst Expeditionsleiter und von seinem älteren Bruder Oskar begleitet, macht sich ein zweites Mal auf in Richtung Sudan. Doch die Reise hält für ihn unerwartete Schicksalsschläge bereit. Auf dem Weg zum Treffpunkt mit dem Baron ertrinkt sein Bruder Oskar im Nil, und als Brehm endlich in Khartum anlangt, erfährt er vom Bankrott des Barons. Trotzdem bleibt Brehm, der sich der Anziehungskraft des Kontinents nicht entziehen kann, in Afrika.

Ein Darlehen des sudanesischen Generalgouverneurs in Höhe von 5.000 Piastern ermöglicht es ihm, seine Reise fortzusetzen. Sie führt ihn schließlich in die wasserreichen Urwälder beiderseits des Blauen Nils. Hier entdeckt Brehm noch nahezu unberührte Flecken des Kontinents und erlebt den Höhepunkt seines insgesamt fünfjährigen Aufenthalts in Afrika, der aus ihm einen schreibenden Naturforscher macht…

  1. zurück
  2. 1
  3. |
  4. 2
  5. |
  6. 3
  7. |
  8. 4
  9. |
  10. 5
  11. |
  12. 6
  13. |
  14. 7
  15. |
  16. 8
  17. |
  18. 9
  19. |
  20. 10
  21. |
  22. weiter


Stand: 01.04.2005

Keine Meldungen mehr verpassen – mit unserem wöchentlichen Newsletter.
Teilen:

In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Alfred Edmund Brehm
Der Vater des Tierlebens

Prägung am Blauen Nil
Fünf Jahre Afrika

Lebensziel: Schriftsteller
Die Berufung des Alfred Brehm

Das Leben der Vögel
Fingerübung für das „Tierleben“

Der streitsame Herr Zoodirektor
Brehms Gastspiele in Hamburg und Berlin

Brehms Tierleben
Geschichte eines zoologischen „Longsellers“

Im Galopp durch Sibirien
Über China zur Kara-See

Bauanleitung für kirgisische Jurten
Brehm als Ethnologe

Schicksalsschläge am Lebensende
Brehm, der Familienmensch

Der biedere Tiervater
Brehm aus heutiger Sicht

Diaschauen zum Thema

keine Diaschauen verknüpft

News zum Thema

keine News verknüpft

Dossiers zum Thema