Botanik

Abscisinsäure

Rettung bei Wasserstress

Laubblätter © IMSI MasterClips

Herbst gleich Erntezeit. Blätter und Früchte fallen von den Bäumen, Knospen versinken in eine Ruheperiode, um erst im Frühjahr unter günstigeren Temperaturverhältnissen wieder aufzublühen. Doch welche Mechanismen stecken hinter diesen Phänomenen? In den sechziger Jahren gingen zwei Forschergruppen dieser Frage nach. Unabhängig voneinander fanden sie im Jahr 1963 eine Ursache für diese Phänomene. Die einen hatten einen Stoff namens Dormin als Auslöser der Knospenruhe entdeckt, die anderen isolierten eine Substanz aus dem Fruchtfleisch reifer Früchte, die für den Blatt- und Fruchtabfall verantwortlich war und nannten sie Abscisin. Überraschenderweise ergaben spätere Analysen, dass es sich um ein und denselben Stoff handelte. Er wurde fortan Abscisinsäure genannt.

Im Gegensatz zu den Phytohormonen Auxin, Gibberellin und Cytokinin übt Abscisinsäure eher eine hemmende Wirkung auf den Stoffwechsel aus. Das heisst aber nicht, dass dies unbedingt nachteilig für die Pflanze ist. Im Gegenteil: Abscisinsäure spielt eine entscheidende Rolle im Wasserhaushalt, indem sie die Pflanze vor Austrocknung schützt.

Heiß und trocken ist es in vielen Gegenden, wenn die Sonne Mitte des Jahres im Zenit steht. Die Pflanzen leiden unter Wassermangel. Dann ist es wichtig, dass die Pflanze kein zusätzliches Wasser durch Abgabe von Wasserdampf verliert. Dieser entweicht in der Regel durch Spaltöffnungen an der Blattoberfläche, während die Pflanze CO2 aufnimmt. Indem sie ihre Spaltöffnungen schließt, kann die Pflanze ihren Wasserverlust drosseln.

Die Spaltöffnungen sind aus zwei Schließzellen aufgebaut. Fällt der Innendruck der Zellen, strömen Kaliumionen und Anionen aus den Schließzellen und die Spaltöffnungen schließen sich. Und hier spielt nun die Abscisinsäure eine Rolle, indem sie das Signal für diesen Ionenstrom gibt. Ihre Konzentration steigt bei Wasserstress innerhalb von vier bis acht Stunden auf das zehn bis 50-fache an. Wassermangel wird zuerst durch die Wurzel wahrgenommen. Dies regt die Produktion von Abscisinsäure in den Wurzelzellen und den Transport aufwärts in die Blätter an. Hier schließen sich daraufhin die Spaltöffnungen und der Wasserverlust sinkt.

Auch in anderen Extremsituationen wie Kälteperioden, Salzstress oder Verletzungen fungiert Abscisinsäure als Vermittler zwischen der Wahrnehmung des Problems und seiner Abhilfe. Sie kurbelt beispielsweise die Proteinbiosynthese von so genannten Stressproteinen an, die in solchen Situation von der Pflanze benötigt werden.

Doch die Abscisinsäure spielt auch eine Rolle in der frühen Entwicklungsphase, denn sie reguliert die Samenreifung und Samenruhe. Es wäre von Nachteil, wenn Samen vorzeitig keimen würden, bevor ihre Entwicklung abgeschlossen ist. Die Gegenwart von Abscisinsäure verhindert die Spaltung von Speicherstoffen, indem sie die Bildung der entsprechenden Enzyme unterdrückt. Bei den Samen von Apfel und Walnuss, zum Beispiel, vermindert eine Kälteperiode den Gehalt an Abscisinsäure und fördert so die Keimung.

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Stand: 22.03.2005

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Phytohormone
Überlebenswichtige Botenstoffe im Pflanzenreich

Kleine Moleküle – große Wirkung
Auf die Mischung kommt es an

Auxine
Ein Bonus für die Landwirtschaft

Gibberelline
Unentbehrlich für Keimung und Wachstum

Cytokinine
Aus Eins macht zwei

Abscisinsäure
Rettung bei Wasserstress

Ethylen
Ein Gas bringt Früchte zum Reifen

Jasmonate
Wirkungsvolle Feindabwehr

Brassinosteroide
In kleinen Mengen unverzichtbar

Florigen
Das Phantom unter den Pflanzenhormonen

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