Die Expedition der britischen Royal Geographical Society (RGS) von 1856 sollte in die Geschichte eingehen. Dies allerdings nicht nur wegen ihrer Ergebnisse sondern vor allem auch wegen der erbitterten Rivalität der beiden Expeditionsleiter, die während und nach der Expedition unter reger Beteiligung der Öffentlichkeit ausgetragen wurde.
Auf der einen Seite stand der charismatische und extrem ehrgeizige Forscher, Sprachwissenschaftler und Abenteurer Sir Richard Burton, der bereits vorher Schlagzeilen gemacht hatte, als er als Derwisch verkleidet Mekka und Medina, die heiligsten Stätten des Islam, besuchte. Als Begleiter wählte die RGS den jungen britischen Offizier John Henning Speke, der zwar während seiner Militärzeit den Himalaya erkundet hatte, dessen sonstige Qualifikationen für die Leitung einer Afrikaexpedition alles andere als beeindruckend waren. Seine Bereitschaft, einen Teil der Expedition aus eigenen Mitteln zu finanzieren, dürfte daher wohl eher den Ausschlag für seine Wahl gegeben haben.
1856 landeten die beiden Briten an der Küste Sansibars, wo sie mit dem deutschen Entdecker und Missionar Johannes Rebmann zusammentrafen und sich letzte Informationen für ihre Reise in das Innere des Kontinents holten. Knapp ein halbes Jahr später war es soweit: Mit 130 Begleitern, Trägern und 30 Packtieren bewegte sich die Expeditionskarawane langsam nach Südwesten – auf Drängen Burtons in einem weiten Bogen um das Land der kriegerischen Massai herum. Von Malaria geplagt und ständig im Streit untereinander und mit den angeheuerten Trägern zog sich der Treck zum arabischen Handelsposten Tabora im heutigen Tansania mehr als fünf Monate hin.
Nach einer Erholungspause ging es unter großen Schwierigkeiten weiter Richtung Westen. Im Februar 1858 erreichten die beiden Entdecker und ihre Begleiter als erste Weiße das Ufer des Tanganjikasees. Burton und Speke hegten die Hoffnung, hier endlich auf die Quelle des Weißen Nils gestoßen zu sein. Doch als sie am Nordende des Sees tatsächlich einen Fluss entdeckten, mussten sie enttäuscht feststellen, dass der Ruzizi-Fluss nicht aus dem See hinaus, sondern im Gegenteil in ihn hinein floß, damit also keinesfalls die lange gesuchte Nilquelle sein konnte.
Zutiefst enttäuscht beschloss Burton, die Expedition abzubrechen und unverzüglich zur Küste zurückzukehren, Speke dagegen reiste allein weiter nach Norden, um nach einem anderen, bisher nur aus Erzählungen bekannten großen See zu suchen. Vielleicht, so seine Hoffnung, verberge sich ja dort die Quelle des „Vaters der Flüsse“. Nur 25 Tage nach seinem Aufbruch stand Speke tatsächlich am Ufer eines riesigen Sees, den er Viktoria-See taufte. Er war überzeugt, damit „das Problem gelöst zu haben, das alle führenden Staaten enträtseln wollen – den Ursprung des Nil.“
Zurück an der Küste berichtete Speke Burton von seiner Entdeckung, stieß aber nur auf Unglauben und Zynismus. Beide reisten daraufhin getrennt nach London zurück, nicht ohne sich gegenseitig versprochen zu haben, dass keiner der Royal Geographical Society ihre Neuigkeiten ohne den jeweils anderen überbringen würde. Ein Versprechen, dass exakt so lange hielt, wie der vorausfahrende Speke für seine Reise brauchte: Kaum angekommen, berichtete er über seine Entdeckung des Viktoria-See und seine Theorie, dass dort auch der Nil entspringen müsse. Burton erhielt zwar eine Auszeichnung als Entdecker des Tanganjika-Sees, mit der nächsten Expedition nach Afrika wurde aber Speke beauftragt.
Stand: 11.03.2005