Unter all den Landschaftsformen im Kalkgestein fallen zwei markante Karst-Erscheinungen auf, die sich auf den ersten Blick zwar ähneln, die aber in unterschiedlichen Klimaten auf völlig verschiedene Weise entstanden sind – mächtige Kalksteinfelsen, die wie Türme aus der Landschaft aufragen.
Kegel und Cockpits
Eine märchenhafte Kalksteinwelt erstreckt sich im Süden Chinas rund um die Stadt Guilin. Von dichter Vegetation bedeckt reihen sich hier scharenweise steile Felsen aneinander, manche bis zu 200 Meter hoch und durch sternförmige Trichter voneinander getrennt.
Der so genannte Kegel- oder Turmkarst und die dazwischen liegenden „Cockpit“-Senken können sich nur in den Tropen entwickeln. Hier sorgen Hitze und hohe Luftfeuchtigkeit für eine rasch fortschreitende chemische Verwitterung. Ausschlaggebend für die Genese eines solchen Reliefs sind Karstflächen mit Dolinen, Höhlen und einem rudimentären Gewässernetz. Durch tektonische Hebung schneiden sich die Flüsse stark in die Tiefe ein. Niederschlagswasser sammelt sich in den Dolinen und Erdfällen, so dass sie sich zu den Seiten hin stark ausdehnen und die Trennwände zwischen einzelnen Trichtern bis auf wenige Überreste aufbrauchen. Weil diese von allen Seiten „angenagt“ werden, die gesamte Fläche aber permanent weiträumig tiefer sinkt, bleiben schließlich nur noch die riesigen Kegel erhalten.
Stotzen aus dem Tropenmeer
In unseren Breiten gibt es ähnliche turmartige Formationen aus Kalkstein. Sie treten vereinzelt am Rande der Schwäbischen Alb, in Thüringen oder im Sauerland auf. Obwohl auch sie ihre Herkunft tropischen Bedingungen verdanken, haben sie mit dem Turmkarst in China, auf Java, in Mexiko oder Kuba nichts zu tun.
Kalk-Stotzen wie der Burgfels bei Dollnstein oder der Dohlenfels bei Kohnstein in Bayern sind fossile Korallenriffe. Bewohnt wurden sie vor etwa 150 Millionen Jahren. Damals lag Süddeutschland vermutlich auf dem gleichen Breitengrad wie heute Florida und war von einem tropischen Flachmeer bedeckt. Die Riffe wuchsen an den Hängen höher gelegener Plattformen, die von tieferen Wannen umgeben waren. In den Trögen sammelte sich feiner Schlamm mit kalkhaltigen Schalen, der durch die zunehmende Sedimentlast zusammengepresst wurde. Die Riffe dagegen verfestigten sich schon während des Wachstums, weil die Poren und Hohlräume mit Kalzit-Ausfällungen zementiert wurden. So erlangten die Riffkörper gegenüber den umgebenden Sedimenten eine viel größere Festigkeit.
Erst vor etwa fünf Millionen Jahren kamen beispielsweise der Burgfels Dollnstein und der Dohlenfels Kohnstein am Fuße der Schwäbischen Alb wieder zum Vorschein. Als sich die Ur-Donau ihr Tal suchte, präparierte sie die Felsen heraus. Während der Fluss das umliegende weichere Gestein abtrug, blieben die schlotförmigen, härteren Riffkalke unangetastet.
Stand: 15.01.2005