Die Alpen können sich halten, die Anden flachen ab und der Himalaya droht zu kollabieren. Dies war noch vor kurzem das Resümee einer Tagung der Deutschen Geophysikalischen Gesellschaft in Berlin. Der Himalaja, das größte kontinentale Gebirge der Welt, sollte demnach seine besten Jahre bereits hinter sich haben und langsam aber sicher wieder im Boden versinken. Wissenschaftler der Universität von Arizona stellen nun die Gegenthese auf: Das Hochland von Tibet, zentraler Bestandteil des Himalaya, wird nicht niedriger, sondern wächst noch immer.
“Meine Hypothese prognostiziert, dass das Plateau höher wird und nicht kollabiert“, erklärt der amerikanische Geowissenschaftler Paul Kapp. Seine Studie deutet darauf hin, dass das tibetanische Plateau zwischen dem indischen Subkontinent im Süden und dem nördlichen China zusammengedrückt wird. Dies widerspricht der bislang gängigen Theorie, nach der das Hochland durch das langsame „Überfließen“ Tibets über die nördliche Kante des Indischen Kontinents entstanden ist. Vielmehr, so Knapp, wird Tibet wie eine Orange in der Presse aufgespalten, durch Verwerfungen förmlich zerrissen und zugleich weiter angehoben. Auch wenn die Zukunft des höchsten kontinentalen Gebirges somit weiterhin ungewiss erscheint, so gibt es doch zumindest über seine Entstehung kaum noch Zweifel.
Kontinentale Kollision
Denn das tibetanische Hochland ist ebenso wie der gesamte Himalaja durch die Kollison der Indischen und der Asiatischen Kontinentalplatte entstanden. Da beide in etwa die gleiche Dichte haben und somit auch ähnlich schwer sind, weicht keine von ihnen in den Untergrund aus. Vielmehr stapeln sich die Erdplatten übereinander und schieben sich, getrieben durch die gewaltige tektonische Bewegungsenergie, sogar ineinander. Die Gesteine werden gepresst, verbogen und zum Teil zerbrochen – ein Faltengebirge entsteht. Anders als bei der Subduktion gelangt wesentlich weniger Krustenmaterial in den Untergrund. Ein aktiver Vulkanismus ist bei solch einer Kontinent-Kontinent- Kollision daher eher die Ausnahme.
Fast zweitausend Kilometer hat sich bis heute die Indische in die Eurasische Platte verkeilt. Aber das Gebirge ragt nicht nur weit in den Himmel, sondern auch tief in die Erde: Auf fast siebzig Kilometer ist die kontinentale Kruste unter dem Gebirge angewachsen. „Normal“ sind eigentlich nur etwa dreißig Kilometer. Wie ein Eisberg schwimmt somit der Himalaja mit seiner mächtigen Gebirgswurzel auf den zähflüssigen unteren Gesteinsschichten des Erdmantels.
Alpen im Höhenrausch
Auch die Alpen sind auf eine ähnliche Weise durch die Kollision der Afrikanischen mit der Eurasischen Kontinentalplatte entstanden. Und zumindest über ihre Hebungsrate sind sich die Wissenschaftler weitgehend einig: Bis zu zwei Millimeter pro Jahr wachsen die Alpengipfel an und kamen damit dem Himmel in den vergangenen Jahrmillionen um schätzungsweise dreißig Kilometer näher. Zumindest theoretisch, denn die Erosion verhindert dieses ungezügelte Höhenwachstum. Die Kalkalpen bestehen beispielsweise aus dem Meeresboden des Penninischen Ozeans, der vor 150 Millionen Jahren weite Teile Mitteleuropas bedeckte. Noch heute lassen sich Überreste der damaligen Meerestiere finden, wenn auch als Fossilien in über 3.000 Metern Höhe.
Stand: 26.11.2004