Noch vor mehreren Millionen Jahren ließen Vulkane im Schwarzwald mächtig Dampf ab. Magma bahnte sich heißglühend seinen Weg nach oben und sorgte für gewaltige Eruptionen. Auch wenn davon heute an der Oberfläche nichts mehr zu spüren ist, so zeugt doch in nur einem Kilometer Tiefe die größte deutschte Wärmeanomalie mit Temperaturen von über 100°C von dieser unruhigen Vergangenheit.
Auch Bad Urach verdankt seine Bekanntheit diesen vulkanischen Aktivitäten. Bereits 1970 wurde in über 700 Metern Tiefe das bekannte Thermalwasser des Kurorts erschlossen. Aber nicht nur Kurgäste freuten sich seitdem an den heißen Tiefenwassern, auch Wissenschaftler aus aller Welt blicken an den Ort, an dem ein neues Verfahren zur Nutzung der Tiefenenergie mitentwickelt wurde: Das Hot-Dry-Rock-Verfahren, kurz HDR.
Wärmetauscher in der Tiefe
Entgegen der hydrothermalen Technik nutzt das HDR die im kristallinen Gestein gespeicherte trockene Wärme und ist damit nicht auf wasserführende Aquifere angewiesen. Im Gegenteil: Über eine Bohrleitung wird unter hohem Druck von bis zu 150 bar sogar Wasser in die Tiefe gepresst. Trotz der auflastenden Gesteinsschichten weiten sich dadurch im Untergrund bereits bestehende Risse und Klüfte bis zu einem Durchmesser von etwa einem Millimeter auf. In diesem künstlich erweiterten „Röhrensystem“ zirkuliert nun das eingeleitete Wasser und nimmt die Wärme des umgebenden Gesteins auf. Über eine zweite Bohrleitung wird das so auf über 175°Celsius erhitzte Wasser unter Zuhilfenahme der thermischen Auftriebskräfte wieder an die Erdoberfläche gepumpt und dort in einem Turbinenkraftwerk zur Stromerzeugung genutzt.
Nass statt trocken
In modernen Anlagen wie in Bad Urach wird allerdings auch das „Dry“ des HDR nicht mehr allzu wörtlich genommen. Denn mittlerweile ist man dazu übergegangen, die Wärme nicht mehr aus kristallinem und trockenem Gestein zu nutzen, sondern bestehende Thermalwasservorkommen zu nutzen. Der Grund: Bei den ersten Pilotanlagen in den 1970er Jahren in den USA, Großbritannien oder Japan kam es immer wieder zu erheblichen Wasserverlusten in der Tiefe. Bisweilen über 25 Prozent des eingeleiteten Wassers verschwand für immer im Untergrund. Aus diesen Erfahrungen heraus zapft das HDR in Bad Urach ein bereits bestehendes Tiefenwasser an und kann somit durch einen geschlossenen Wasserkreislauf wesentlich effizienter arbeiten.
Noch ist das Kraftwerk allerdings nicht in seiner endgültigen Version realisiert. Nach geologischen Schwierigkeiten während der Bohrung musste im Juli 2004 das ehrgeizige Projekt aus letztendlich finanziellen Gründen abgebrochen werden. Das erste Bohrloch hat bereits seine endgültige Tiefe von 4.400 Metern erreicht, doch die zweite Bohrung stockt derzeit in 2.800 Metern Tiefe. Noch herrscht Unklarheit darüber, ob das Betreiberkonsortium und das Bundesumweltministerium genügend Mittel zu weiteren Bohrungen bereitstellen. Sollte das angestrebte Kraftwerk letztendlich realisiert werden, so soll es drei Megawatt Strom und sogar 20 Megawatt Wärme liefern.
Stand: 12.11.2004