Zwei Namen viel versprechender Großprojekte geistern derzeit durch die Fachpresse: Unterhaching und Offenbach. Nach Wunsch der jeweiligen Betreiber soll hier bald Erdwärme im Überfluss fließen und die geothermische Zeitenwende in Deutschland einläuten. Mit einer geplanten elektrischen Leistung von bis zu fünf Megawatt nehmen ab 2006 in Unterhaching nahe München und in Offenbach die größten Geothermie-Kraftwerke Deutschlands ihre Arbeit auf und versorgen jeweils bis zu 20.000 Haushalte mit Strom und Wärme aus der Tiefe.
Seit einigen Monaten laufen die Bohrungen zumindest in Unterhaching bereits auf Hochtouren. Und Ende September 2004 kam dann der große Jubel: In fast 3.500 Metern Tiefe wurden tatsächlich die prognostizierten Temperaturen erbohrt: Über 120 Grad Celsius heißes Thermalwasser sprudelt mit einer Schüttung von 150 Liter pro Sekunde an die Oberfläche – mehr und heißer, als man zu Bohrbeginn zu hoffen gewagt hatte.
Strom aus Ammoniak…
Um aus dem heißen Wasser möglichst viel Energie gewinnen zu können, soll ein ähnliches Kraftwerk wie bei der „Organic-Rankine-Cycle“ – Wärmekraftmaschine in Neutstadt-Glewe zum Einsatz kommen. Die so genannte Kalina-Technik nutzt ein Gemisch aus Wasser und Ammoniak, um die Dampfturbine zur Stromerzeugung anzutreiben. Der große Vorteil dieser Technik besteht darin, dass das Gemisch keinen fixen Siedepunkt sondern einen variablen Siedebereich hat, der zudem weit unter dem von Wasser liegt. Im Vergleich zu herkömmlichen Erdwärmekraftwerken ist somit der Wirkungsgrad in der Umwandlung der thermischen in elektrische Energie deutlich größer.
…ein alter Hut
Doch die Kalina-Kraftwerkstechnik ist kurioserweise bereits seit den 1970er Jahren bekannt, konnte sich allerdings bislang nicht durchsetzen. In Zeiten der Erdölkrise entwickelt, sollte sie zur Energieeinsparung industrielle Abwärme verwerten. Durch die Verbesserung der herkömmlichen Kraftwerkstechnik und die sinkenden Ölpreise geriet die Kalina-Technik allerdings schnell wieder in Vergessenheit. Derzeit gibt es weltweit schätzungsweise nur eine Handvoll Kraftwerke dieser Technik, das bekannteste darunter ein Erdwärmekraftwerk im isländischen Husavik. Bis jetzt. Denn durch den Geothermie-Boom in Deutschland könnte die neue alte Technik eine wahre Renaissance erleben.
Schätzungsweise 12.000 Tonnen Kohlendioxid, über sieben Tonnen Schwefeldioxid sowie fast elf Tonnen Stickstoffoxide werden durch das Geothermie-Kraftwerk in Unterhaching zukünftig eingespart. „In Unterhaching wollen wir modellhaft zeigen, welchen Beitrag die Nutzung der Erdwärme zur umweltgerechten Energiegewinnung leisten kann“, sagte denn auch Bundesumweltminister Jürgen Trittin zu Beginn der Bohrarbeiten im Februar 2004. Mit immerhin 4,8 Millionen fördert das Bundesumweltministerium das insgesamt 35 Millionen teure Projekt.
„Goldgräber“-Stimmung
Aber die Geothermie wird nicht nur indirekt durch Zuschüsse für einzelne Projekte durch die Bundesregierung gefördert. Vielmehr erhalten Betreiber seit August 2004 durch die Novelle des Erneuerbare Energien Gesetzes (EEG) für die Einspeisung von Strom aus Erdwärme erhöhte Sätze. Bereits im alten EEG aus dem Jahr 2000 wurde ein Mindestabnahmepreis von 7,16 Cent/kWh garantiert. Da dies bislang allerdings nicht als Investitionsanreiz ausreichte, wurde dieser Satz nun drastisch erhöht: Kraftwerke mit weniger als zehn Megawatt Leistung erhalten seither eine Vergütung zwischen 14 und 15 Cent/kWh. Nur Kraftwerke jenseits der 20 Megawatt-Grenze, die es in Deutschland bislang nicht einmal als Studie gibt, erhalten den alten Satz von 7,16 Cent/kWh.
Kein Wunder, dass scheinbar aus dem Nichts Geothermie-Kraftwerke in Deutschland in die Planung gehen. Denn noch ist die Erfolgsmeldung über die geglückte Bohrung in Unterhaching kaum verklungen, so verkündeten die Betreiber eines vergleichbaren Projekts im pfälzischen Offenbach, die dort anvisierte Kraftwerksleistung noch zu toppen. Mit fünf Megawatt möchten sie den Unterhachingern den Titel „Größtes Geothermie-Kraftwerk Deutschlands“ streitig machen. Bleibt zu hoffen, dass am Ende die ehrgeizigen Ziele tatsächlich Wirklichkeit werden – sowohl zum Wohl des Klimas als auch um zu zeigen, dass die direkten und indirekten Subventionen gut angelegt sind.
Stand: 12.11.2004