Als Roy Chapman Andrews vom American Museum of Natural History in den 1920er Jahren in die Gobi reist, ist er auf der Suche nach Überresten von Frühmenschen, die er in dieser Region seit langem vermutet. Umso verblüffender sind für ihn und die gesamte Fachwelt deshalb die Entdeckungen, die er nach Ende seiner Expedition vorweisen kann.
In Jahrmillionen alten Ablagerungen aus der Kreidezeit ist er im Süden der Mongolei bei Bayan Zag auf Dinosurier-Eier und Fossilien von uralten, primitiven Säugetieren gestoßen. Die unwirtliche, öde und lebensfeindliche Wüste Gobi als ehemaliger Garten Eden, als Paradies für Tiere und Pflanzen?
Gobi als Garten Eden?
Kaum vorstellbar, aber trotzdem wahr, wie die Paläontologen heute wissen. Vor etwa 70 oder 80 Millionen Jahren war das Klima deutlich angenehmer. Von den Ozeanen aus wurden immer wieder große Mengen an Regenwolken ins Innere des asiatischen Kontinents getrieben. Wo heute die Einöde dominiert, gab es damals riesige Waldflächen, aber auch Seen und Flüsse.
Zu den berühmtesten Fossilienlagerstätten in der Wüste Gobi zählt die Region zwischen Ukhaa Tolgod und den Flaming Cliffs in der Mongolei. Aber auch in anderen Gebieten der Gobi hat man mittlerweile gut erhaltene Überreste von acht der zwölf bis heute bekannten Dinosaurier-Gattungen entdeckt.
Vom Eierdieb zur „Glucke“
Dazu gehören beispielsweise etliche Funde eines kleinen Horndinosauriers mit dem Namen Protoceratops, der in allen Alterstufen erhalten geblieben ist, oder der aus dem Film Jurassic Park bekannte kleine Jäger Velociraptor mongoliensis. Für besonderes Aufsehen unter den Dino-Forschern sorgte jedoch ein gerade mal zwei Meter großes Reptil, das statt mit messserscharfen Zähnen mit einer Art Schnabel ausgerüstet war und auch sonst vom Aussehen her eher an einen flugunfähigen Vogel erinnerte als an einen Saurier.
Da man diese Dinosaurier-Art auf einem Nest mit versteinerten Eiern fand, hielt man ihn zunächst für einen Eierdieb und gab ihm den Namen Oviraptor. Mittlerweile jedoch ist das Image des Oviraptors längst korrigiert. Anhand anderer Fossilienfunde in der Gobi aus dem Jahr 1993 konnte die Forscher belegen, dass man früher Ernährungs- und Fortpflanzungsverhalten des Oviraptors gründlich durcheinander gebracht hatte.
In der Nähe von Ukhaa Tolgod entdeckten amerikanische Wissenschaftler einen ausgewachsenen Oviraptor, der auf einem Nest mit Eiern hockend fossilisiert worden war. Die Analyse des Geleges ergab, dass es sich in dem Nest zweifelsfrei um angehenden Oviraptor-Nachwuchs handelte. Der Oviraptor war demnach mitnichten ein Eierdieb, sondern galt als erster eindeutiger Beweis für Brutverhalten bei nicht-flugfähigen Dinosauriern.
Mittlerweile jagen die Forscher sogar mithilfe von Hightech und Satelliten-Aufnahmen in der Gobi nach neuen Überresten der Giganten der Urzeit. Die Expedition des American Museum of Natural History im Jahre 1999 beispielsweise verwendete Landsat-Bilder, um Gebiete mit Sedimentgestein zu identifizieren auf dem nur wenige Pflanzen wachsen. Solche sind bei den Paläontologen begehrt, weil sie gute Chancen für Fossilienfunde bieten.
Erdrutsche konservieren Saurier
Wieso jedoch sind in der Wüste Gobi so viele und vor allem so gut erhaltene Dinosaurierspuren zu finden? „Lebendig begraben“ – dies ist nicht nur der Titel eines Thrillers von Edgar Allen Poe, unter diesem Motto steht auch die Theorie des amerikanischen Geowissenschaftlers David Loope von der University of Nebraska zur Entstehung der vielen Fossilien im Wüstensand.
Loope vermutet, dass die Dinosaurier und frühen Säugetiere der Gobi durch verheerende Erdrutsche nach schweren Regenfällen ums Leben gekommen sein könnten. Wie der Oviraptor-Fund in Bruthaltung vermuten lässt, ging das Ganze so schnell vonstatten, dass die Tiere teilweise nicht einmal mehr die Zeit hatten zu fliehen, bevor das Inferno aus Sand, Löss und Erde über sie hereinbrach. Im Inneren der Schlammlawinen wurden die Kadaver der Lebewesen sofort luftdicht abgeschlossen und so für die Nachwelt konserviert.
Stand: 28.10.2003