Wie ein Kraftfeld umgibt die Gravitation die Erde. Wäre die Welt eine völlig symmetrische Kugel, die sich nicht dreht, würde die Anziehung überall gleich stark sein. Die Erdanziehung ist aber nicht die einzige Kraft, die auf der Erdoberfläche wirkt. Die Erde dreht sich um ihre eigene Achse wie ein Karussell. Und wie bei dem Gerät auf dem Spielplatz zieht die Drehung alle Gegenstände immer weiter nach außen. Bei hoher Geschwindigkeit heben die Füße ab, und der Körper fliegt in die Luft – gehalten nur noch von den Händen. Diese auch von der Drehung der Erde hervorgerufene Fliehkraft würde alle Dinge in das Weltall hinaus schleudern, wenn da nicht die Anziehungskraft wäre. Was von der Gravitation nach Abzug der entgegen gesetzten Fliehkraft der Erddrehung übrig bleibt, hält die Menschen am Boden: die Schwerkraft.
Die Schwerkraft ist nicht immer beliebt. Durch sie gehen Vasen zu Bruch, Kinder fallen mit dem Fahrrad um und Sportler kämpfen mit Muskelkraft um jeden Meter Höhe. Und beim Blick auf die Waage soll die Schwerkraft auch noch an unserem Gewicht schuld sein. Und das ist sie auch – allerdings nicht immer in gleicher Stärke. Ein Mensch, der auf einer Waage am Äquator exakt 70 Kilogramm wiegt, ist an den Polen etwa 350 Gramm „schwerer“.
Denn die Schwerkraft der Erde hängt davon ab, wie stark sich Fliehkraft und Gravitation gegenseitig aufheben. Im Karussell werden die Kinder immer zum Rand hin gezogen, weil die Fliehkraft dort am stärksten ist. Setzt sich aber ein Kind genau auf die Achse des Karussells, dreht es sich zwar ebenso schnell, braucht sich aber nicht mehr festzuhalten, da es am Mittelpunkt keine Fliehkraft gibt. Auf der Erde liegt diese Drehachse in der Nähe der Pole. Daher beträgt die Beschleunigung von der Oberfläche weg, die Fliehkraft, an den Polen nahezu 0,0 m/s², aber am Äquator 0,03 m/s².
Je geringer aber die Beschleunigung desto stärker die Anziehung. Ein Gramm Materie wird daher von der Schwerkraft mit der Beschleunigung von 9,78 m/s² am Äquator auf den Boden gezogen, während die Kraft an den Polen sogar 9,83 m/s² beträgt. Demnach ist das Schwerefeld der Erde an den Polen um 0,5 Prozent stärker als am Äquator und damit auch das gewogene Körpergewicht höher.
Ein Planet mit Hüftspeck
Das ständige Drehen zieht sogar die Kugelform der Erde auseinander. Während die Erde am Äquator in die Breite geht, flacht sie an den Polkappen etwas ab. Als Folge erinnert der Querschnitt unseres Planeten von Pol zu Pol nicht mehr an einen Kreis sondern eher an eine Ellipse. Daher ist der Umfang der Erde entlang des Äquators 67 Kilometer länger als der Umfang über die Pole gemessen. Die Welt ist zwar nicht flach, aber eine Kugel ist sie auch nicht: Sie gleicht eher einem quer liegenden Ei. Ein Ellipsoid ist daher der mathematische Körper, der der Erde am ähnlichsten ist. Die Oberfläche des Ellipsoids bildet dabei nicht nur die Grundlage für geophysikalische Berechnungen, sondern auch die Bezugsfläche für die „Normalschwere“ von 9,81 m/s². Daher werden alle Schwerewerte auf der Erde entweder als positive oder negative Abweichungen von dieser Fläche angegeben.
Die Schwerkraft der Erde verändert sich aber nicht nur abhängig von der Form des Ellipsoids, der Fliehgeschwindigkeit, und der Höhe. Der wohl entscheidende Faktor der Erdschwere ist die Erde selbst. Denn die von einer Masse ausgeübte Anziehungskraft hängt von der Dichte ihrer Materie ab. Bereits Isaac Newton stellte fest: Je höher die Dichte, desto stärker ist die Anziehung und damit die Schwerkraft. In der Erde kommen Materialien mit verschiedener Dichte vor, die sich ungleichmäßig in den Erdschichten verteilen. Sie bewegen sich als Ströme im flüssigen Erdmantel oder haben sich in der äußeren Erdkruste als feste Gesteinsschichten herausgebildet. Die höhere Dichte von Eisenerz etwa bewirkt eine stärkere Gravitation als die weniger dichten Kalksteinablagerungen. Daraus ergeben sich Kräfteunterschiede an der Oberfläche, die zu lokalen und regionalen Schwereabweichungen führen.
Stand: 25.11.2005