Hongkong im Mai 1997. Die „Heimkehr“ der damals noch britischen Kolonie ins Reich der Mitte nach 156-jähriger britischer Herrschaft stand kurz bevor. Doch statt sich über den Abzug der ehemaligen Kolonialherren zu freuen, herrschte in der Stadt eine gedrückte Atmosphäre. Das lag zum Teil an der schlechten wirtschaftlichen Situation, aber es gab noch etwas, das den Menschen der Metropole buchstäblich auf den Magen geschlagen war: eine gefährliche Vogelgrippe hatte die ehemalige britische Kronkolonie heimgesucht und verdarb den Appetit auf Geflügel.
Betroffen von der Vogelgrippe waren jedoch nicht nur die zahlreichen Hühner im Stadtgebiet, nachweislich zum ersten Mal in der Geschichte hatten auch Menschen unter den Folgen des Virus zu leiden.
Fatale Folgen für Mensch und Tier…
Zuerst sprang H5N1 auf einen dreijährigen Jungen „übergesprungen“, der mit infiziertem Geflügel in Kontakt gekommen war und schon bald an den Folgen der Infektion starb. Doch er blieb längst nicht das einzige Opfer der Seuche. Insgesamt sechs Menschenleben forderte H5N1 am Ende bei offiziell 18 Infizierten.
Dass H5N1 nicht noch mehr Menschenleben kostete, lag an den radikalen Methoden beim Kampf gegen den Virus. 1,5 Millionen Stück Geflügel mussten kurzerhand ihr Leben lassen, um die weitere Ausbreitung der Seuche zu verhindern. Hongkong war auf einen Schlag hühnerlos. Doch der Aufwand hatte sich zumindest für den Menschen gelohnt: Mit den Hühnern war anscheinend auch der Erreger verschwunden und die Gefahr erst einmal vorüber.
…aber auch für den Tourismus
Fatale Folgen hatte der Virusausbruch jedoch für den Tourismus in Hongkong. Aus Angst vor möglichen Ansteckungsrisiken blieben viele Asiaten, die eine Stippvisite in die Metropole fest eingeplant hatten, zu Hause. Die Schäden der Hotels, Restaurants oder Souvenirshops gingen in die Millionen.
Auch wenn die Weltöffentlichkeit schnell wieder zur Tagesordnung überging und sich wieder Themen wie den verheerenden Waldbränden in Südostasien oder der erfolgreichen Mars-Pathfinder-Mission der NASA widmete, waren Mediziner und die Weltgesundheitsorganisation in Alarm versetzt. In aller Eile wurde in Hongkong eine interdisziplinäre Gruppe von Wissenschaftlern, die eng mit der WHO zusammenarbeitete, aus dem Boden gestampft. Sie bemühte sich darum, möglichst viele Informationen über die gefährliche Mikrobe und die Übertragungswege zu sammeln. Krankenhäuser wurden überwacht, Methoden zum Nachweis der H5N1-Viren produziert und erste Versuche zur Impfstoffentwicklung eingeleitet.
Seuche ohne Ende
Diese Maßnahmen konnten jedoch nicht verhindern, dass in den nächsten Jahren immer wieder Fälle von Vogelgrippe beim Menschen auftraten. So 1999 und 2003 wieder in Hongkong, beide Male aber erstaunlicherweise ohne, dass eine begleitende Geflügelepidemie gemeldet wurde. Die Betroffenen litten an leichteren Symptomen wie Husten oder Fieber, Lebensgefahr bestand jedoch nicht. Schuld an den Erkrankungen, so ermittelten die Wissenschaftler schnell, war eine Infektion mit einem anderen der 15 bekannten Vogelgrippe-Erreger – H9N2.
Aber H5N1 war noch längst nicht besiegt. Nur wenige Monate später trat er nahezu zeitgleich in mindestens zehn südostasiatischen Ländern auf und startete dort seinen Zug um die ganze Welt…
Stand: 28.10.2005