Der Tausch besiegelt ein Kriegsbündnis zwischen Russland und Preußen gegen Schweden: 55 Grenadiere von stattlicher Größe verlassen Russland in Richtung Potsdam und im Gegenzug bekommt Zar Peter der Erste die teuerste Tapete der Welt. In 18 Kisten verpackt wechselt das Bersnteinzimmer anno 1717 seinen Besitzer und gelangt nach St. Petersburg.
Über 200 Jahre war die einzigartige Wandtäfelung zunächst Teil des Sommerpalais, später des Katharinenpalastes von Zarskoje Selo in St. Petersburg. Doch seit der Bombennacht vom 27. August 1944 vor 60 Jahren, bei der die ostpreußische Stadt Königsberg fast vollständig zerstört wurde, ist das Bernsteinzimmer verschwunden.
Gerüchte, Mythen und Verschwörungstheorien ranken sich seitdem um den Verbleib dieser innenarchitektonischen und handwerklichen Meisterleistung. Ist es verbrannt? In einem U-Boot gesunken? Wurde es in Stücken verscherbelt? Oder liegt es noch immer sorgsam verpackt an einem Ort, den es nur zu finden gilt?
Während der Besetzung St. Petersburgs im Jahr 1941 hatten deutsche Truppen das Bernsteinzimmer geraubt und nach Königsberg gebracht. Nach der Invasion der Alliierten in der Normandie sollte es 1944 zur Sicherheit schleunigst nach Kassel geschafft werden. Die Kisten waren bereits verladen, als der Befehl kam, die Moral der deutschen Truppen nicht zu untergraben. Das Bernsteinzimmer blieb in Königsberg.
Nach der Zerstörung Königsbergs entsteht die Theorie, das Bernsteinzimmer sei mit dem Schloss verbrannt. Man findet verkohlte Reste in den Trümmern – Türscharniere, Teile der Paneele und Verzierungen, angeblich Teile des Bernsteinzimmers. Doch zahlreiche Fahnder fördern im Laufe der Jahre immer neue Indizien zutage, mit deren Hilfe sie die Verbrennungstheorie zu widerlegen vermeinen.
Vor allem sind dies Schnitzereien aus Bernstein oder Möbel, die in Auktionen auftauchen und dem Bernsteinzimmer zugeordnet werden; außerdem immer wieder neue Deutungen von Dokumenten der Nachkriegszeit, wie das Tagebuch des Geschichtsprofessors Alexander Brjussow. Er war Leiter der ersten russischen Suchkommission. Aus seinen Notizen wurde mittlerweile sowohl die Verbrennung als auch die Rettung des Bernsteinzimmers herausgelesen.
Im Sog der fanatischen Einzelkämpfer und staatlich verordneten Suchkommandos werden schließlich Medien und Journalisten zu Akteuren einer ganz eigenen Story. Anlässlich der Eröffnung des restaurierten Bernsteinzimmers im vorigen Jahr fanden die Spekulationen ihren vorläufigen Höhepunkt im Duell der öffentlich-rechtlichen Fernsehsender ARD und ZDF.
Maurice Philip Remy ging für’s Erste in den Ring. Sein Ergebnis: das Bernsteinzimmer ist in Königsberg verbrannt. Populär-Historiker Guido Knopp vom ZDF dagegen wähnt es noch in Königsberg oder in einem Bergwerksschacht in Thüringen. Nachgrabungen seien jedoch aus Kostengründen nicht geplant, meldete das ZDF damals.
Stand: 03.09.2004