„Ich weiß kaum, was ich zu einem so überraschenden, unerwarteten und neuen Phänomen sagen soll,“, schrieb der Astronom Galileo Galilei 1612. Die Quelle seiner Verblüffung: Nur zwei Jahre nachdem er nahe am Saturn zwei neue Trabanten des Planeten entdeckt zu haben glaubte, lösten sie sich vor seinen Augen scheinbar wieder in Luft auf.
Und es kam noch mysteriöser: Wenige Jahre nach ihrem seltsamen Verschwinden tauchten die vermeintlichen Himmelskörper genauso plötzlich wieder auf. Galileo Galilei konnte sich dieses Phänomen nicht erklären und vermutete vorsichtig, es müsse sich wohl um eine Art von „Armen“ des Saturn handeln, die aus unbekannten Gründen wuchsen und wieder schrumpften.
Ringe statt Arme
Eine Lösung für das Rätsel der „Saturn-Arme“ lieferte erst ein halbes Jahrhundert später der niederländische Astronom Christiaan Huygens. Dank seines besseren Teleskops stellte er 1659 fest, dass der Saturn keineswegs Auswüchse trug, sondern vielmehr von einer Reihe von Ringen umgeben waren. Da ihre Ebene gegen die Bahn des Planeten geneigt ist, kehrten sie der Erde mal ihre Fläche, mal ihre schmale Kante zu, und schienen so an Größe zu- oder abzunehmen.
Nur einige Jahre nach dieser sensationellen Entdeckung sorgte ein französisch-italienischer Astronom für neues Aufsehen. Giovanni Cassini beschrieb nicht nur weitere vier bisher unbekannte Saturnmonde – Iapetus, Rhea, Tethys und Dione – , er entdeckte auch, dass die Ringe durch eine schmale Lücke in zwei Gruppen geteilt sind. Im zu Ehren wird sie seitdem als „Cassini-Spalte“ bezeichnet.
Ein komplexes System
Heute weiß man, dass der Saturn nicht nur von zwei Ringen sondern von einem ganzen Ringsystem aus Tausenden von Einzelringen umgeben ist. Und auch diese sind nicht fest, sondern bestehen ihrerseits wieder aus zahllosen frei im Raum schwebenden Partikeln unterschiedlichster Größe und Gestalt – vom fast unsichtbaren Staubkorn bis zum hausgroßen Eisbrocken.
Die Pioneer und Voyager-Sonden übermittelten Anfang der 80er Jahre Bilder, die den Forschern auf der Erde zum ersten Mal zeigten, wie komplex und vielgestaltig die Strukturen innerhalb der Ringe tatsächlich waren. Neben der bereits bekannten Cassini-Spalte enthüllten die Aufnahmen noch weitere, kleinere Lücken innerhalb der großen Ringgruppen und die Existenz von zusätzlichen Ringen außerhalb der bisher bekannten A, B- und C-Gruppen.
Was hält sie zusammen?
Doch die brennendsten Fragen der Wissenschaftler konnten auch die Saturnsonden nicht lösen. Bis heute ist weder genau bekannt, woraus die Ringe bestehen, noch durch welche Mechanismen ihre Strukturen entstehen. Auch warum einige Lücken in den Ringen scharf umrissen und klar, andere dagegen nur als verwaschene Ausdünnung des Ringmaterials erscheinen, weiß bisher niemand. Die Schwerkraftwirkung der Saturntrabanten scheint für den Zusammenhalt und die Form der Ringe zwar eine entscheidende Rolle zu spielen, doch wie genau dies geschieht, und welche Monde und Satelliten daran beteiligt sind, ist noch unklar.
Im schmalen F-Ring beispielsweise, der den Saturn in rund 80.000 Kilometern von der Oberfläche umgibt, treten alle 9.000 Kilometer seltsame Klumpen im Material der Einzelstränge auf. Forscher vermuten, dass einer der beiden „Hirtenmonde“, die sich annähernd im selben Orbit um den Saturn bewegen, für diese Dichteanomalien verantwortlich sein könnte. Theoretisch könnten auch in anderen Ringen eingebettete Monde für die beobachteten Phänomene verantwortlich sein, doch ob und wo sie existieren, kann vielleicht Cassini klären.
Woher kommen sie?
Auch der Ursprung der Ringe liegt nach wie vor im Dunkeln, im Augenblick stehen sich zwei Hypothesen gegenüber: Nach der einen sind sie die verstreuten Trümmer von früheren Monden des Saturn, die durch Zusammenstöße und Meteoriteneinschläge auseinanderbrachen.
Vertreter der anderen Theorie halten es dagegen für wahrscheinlicher, dass das Ringmaterial ein Relikt aus der Frühzeit der Planetenentstehung ist. Die Staub- und Eisbrocken könnten einfach übriggeblieben sein, als die Planeten und Monde aus der großen Staub- und Gasscheibe des Sonnensystems kondensierten. Die Schwerkraft des frühen Saturn fing sie später ein und hielt sie in einer Umlaufbahn um den Planeten fest. Möglich wären beide Varianten, doch welche sich tatsächlich ereignete, sollen nun die Daten der Cassinisonde zeigen…
Stand: 25.06.2004