Wer bei Tintenfischen nur an die Exemplare in der Pizzeria um die Ecke oder gegrillten Octopus beim Griechen denkt, ist liegt falsch. Neben den dort als Leckerbissen angebotenen Kopffüßern gehören auch ausgesprochen unappetitliche Exemplare zu dieser Tiergruppe, die zum Teil sogar für den Menschen ungenießbar sind. Dazu gehören in erster Linie Kalmare, die als Höchstleistungsschwimmer bekannt sind. Sie besitzen eine Ammoniumchlorid-Lösung in ihrem Körper, die leichter als Ozeanwasser ist und dadurch für Auftrieb sorgt – aber auch für den strengen Geruch der Tiere.
Den Riesenkalmare auf der Spur
Dieser fiel auch den bereits den Menschen auf, die vor langer Zeit auf gelegentlich an der Küste angeschwemmte Riesentintenfische stießen. Über Jahrhunderte hinweg hatte man gerätselt, ob die Erzählungen von Seefahrern und Entdeckern über tintenfischähnliche Seeungeheuer auf Tatsachen beruhten oder vielleicht doch einem alkoholvernebelten Gehirn entsprungen waren. Dass solche Giganten der Meere tatsächlich existierten, dafür legte im Jahr 1856 erstmals der dänische Forscher Japetus Steenstrup Indizien und Beweise vor. Anhand einiger Überreste eines angespülten Kadavers – darunter ein papageienschnalartiger Kiefer – rekonstruierte er das Tier und legte damit den Grundstein für das moderne Bild von den zehnarmigen Riesenkalmaren.
Nur wenige Jahre später, 1861, entdeckte die Besatzung des französischen Kriegsschiffes Alecton vor der Küste von Teneriffa einen dieser Riesenkalmare und versuchte vergeblich ihn zu bergen und an Land zu bringen. Immerhin sorgten ihre Berichte nach der Rückkehr dafür, dass die Zweifel an der Existenz solcher Tiere weiter schwanden. 1887 schließlich wurde in der Lyall Bay in Neuseeland der bisher längste wissenschaftlich belegte Riesenkalmar entdeckt. Er maß vom Körperhinterende bis zur äußersten Tentakelspitze 16,8 Meter und wog knapp eine Tonne. Wissenschaftler wie Volker Christian Miske vom Zoologischen Institut der Universität Greifswald halten es für möglich, dass noch viel größere Exemplaren in den Tiefen der Meere leben.
Der Gigantismus der Riesenkalmare beschränkt sich nicht nur auf die Länge des Körpers oder der Fangarme, auch ihre einzelnen Organe sprengen alle sonst bekannten Maßstäbe. Der Penis etwa ist einen Meter lang, die Augen der Tiere haben einen Durchmesser von bis zu 40 Zentimetern und auch die Saugnäpfe sind manchmal noch kuchentellergroß.
Rätselhafte Riesen
Mittlerweile sind mehrere Hundert Riesenkalmare angeschwemmt oder von Fischern gefangen worden. Im Jahr 2002 entdeckten beispielsweise Wissenschaftler vom Forschungsschiff Aldebaran in den Gewässern vor Teneriffa so einen Giganten. Auch vor Australien und Japan sind in letzter Zeit ähnlich spektakuläre Funde gemacht worden. Viel weiß man über die Riesentintenfische aber heute immer noch nicht.
Clyde Roper – der Albert Einstein unter den Tintenfischforschern
Seit rund 40 Jahren erforscht Clyde Roper vom National Museum of Natural History in den USA Riesenkalmare. Alles mögliche hat er versucht, um als erster Mensch die Giganten der Meere in ihrer natürlichen Umgebung zu beobachten. Sogar Pottwale, die natürlichen Feinde der Riesenkalmare, hat er mit Kameras bestückt, um ihnen auf die Spur zu kommen. Vergeblich.
Auch unbemannte U-Boote die zu Aufnahmen in den Kaikoura Canyon vor der Küste Neuseelands abtauchten, kamen ohne Erfolg zurück. Dort bringen Fischer häufiger mal Riesenkalmare von ihren Fischzügen mit. „Das Meer ist beinahe unendlich“, sagt dazu Roper, „und wir können nicht genau sagen, welchen Teil die Riesenkalmare bewohnen. Wir wissen, dass sie existieren, aber eben nicht genau wo.“
Nur wenige Minuten Videomaterial würden reichen, glaubt Roper, um viele der Rätsel um die Riesenkalmare zu lösen. „Es würde uns mehr Informationen über ihre Fortbewegung geben, darüber, ob sie scheu sind oder aggressiv oder ob sie Einzelgänger sind zu Paaren leben oder in Schulen.“
Auch wenn die Risesenkalmare wohl noch für einige Zeit geheimnisumwittert bleiben werden, in einem sind sich die Architheutis-Forscher einig: Menschenmordende und schiffeversenkende Meeresungeheuer sind die Riesenkalmere wohl nicht…
Stand: 05.03.2004