Was bei uns als Zukunftstechnologie und neue Errungenschaft groß gefeiert wird, ist für die Natur längst ein alter Hut: Nanotechnologie kennt und nutzt sie bereits seit Jahrmillionen. Jede Zelle eines lebenden Wesens ist letztendlich nichts anderes als ein Nanoassembler – eine sich selbst replizierende, molekulare Maschine im Nanometermaßstab. Sie verwendet atomare und molekulare Bauteile, um daraus sowohl Kopien ihrer selbst als auch komplexe Biomoleküle wie beispielsweise Enzyme, Hormone oder Proteine zu produzieren.
Und auch für viele unserer makroskopischen Technologien existiert bereits eine Analogie in der Nanowelt der Zellen und Zellbestandteile: Ein auf der Zellmembran aufsitzender Rotationsmotor treibt die Geißel von Bakterienzellen an, die Proteinproduktion in einem Ribosom gleicht in vielen Aspekten unserer Fließbandproduktion und die in der Zellmembran sitzenden Transportkanäle sind im Prinzip sensorgesteuerte Automatiktüren.
Was liegt daher näher, als sich bei Entwicklung der Nanotechnologie aus dem Fundus der Natur zu bedienen?
Nanopropeller…
Carlo Montemagno und seine Kollegen von der amerikanischen Cornell Unversität taten genau das: Sie konstruierten einen der ersten funktionsfähigen Nanomotoren, indem sie biologische und anorganische Komponenten miteinander kombinierten. Der Hybridmotor besteht aus einem mutierten ATPase-Molekül, dem Enzym, das in lebenden Systemen das energiereiche Molekül ATP abbaut und so dessen Energie freisetzt. Die Forscher verknüpften das leicht veränderte Enzym mit winzigen Propellern aus Nickel.
Dank der von der ATPase gelieferten Energie rotierten die zwischen 150 und 750 Nanometer großen Nanopropeller mit immerhin acht Umdrehungen pro Sekunde. „Wir nutzen einfach den gleichen Treibstoff, den das Leben nutzt“, erklärt der Forscher in seiner Veröffentlichung. „Diese Experimente könnten ein entscheidender Schritt in der Realisierung von logischen und nutzbaren biomolekularen motorgetriebenen Strukturen sein.“
DNA im RTMDNA-Motoren…
Einen etwas anderen Ansatz verfolgen zur Zeit gleich mehrere nanotechnolgische Arbeitsgruppen: Sie versuchen auf verschiedenste Weise, die DNA, die Erbsubstanz aller Lebewesen, in Motorkonstruktionen zu integrieren oder das komplexe Molekül gleich komplett als Nanomotor zu nutzen. Teilweise sogar mit Erfolg. Allerdings hat bislang keiner dieser DNA-Nanomotoren wirklich sinnvolle, in einem molekularen Maschinensystem nutzbare Arbeit ausführen können.
…und eine Schubkarre
Eher kurios mutet der Versuch von Wissenschaftlern des französischen CEMES-CNRS-Instituts und der Freien Universität Berlin an, eine Schubkarre im Nanomaßstab zu konstruieren. Ihr Entwurf sah ein 1,6 Nanometer breites und 1,5 Nanometer langes, dreirädriges Gefährt vor, das sie mit der Spitze eines Rastertunnelmikroskops (RTM) über eine Kupferoberfläche schieben wollten. Dummerweise zeigten Berechnungen, dass schon beim ersten Schiebeversuch des RTMs die Hinterräder der Schubkarre zusammenbrechen würden. Versuchte man, diese durch Einfrieren zu stabilisieren, blieb stattdessen das Vorderrad in der Kupferoberfläche stecken. Doch die Wissenschaftler arbeiten bereits an einem verbesserten Entwurf…
Auch wenn bislang viele solcher Nanokonstruktionen nicht oder nur ungenügend funktionieren, allein die Vielzahl und Verschiedenartigkeit der Ansätze könnte dafür sorgen, dass bald auch die ersten erfolgreichen Nanomaschinen zum Einsatz kommen. Nach Ansicht der meisten Nanoforscher ist dies allenfalls eine Frage der Zeit, nicht jedoch der generellen Machbarkeit.
Stand: 21.05.2003