Auf den Azoren kann man trockenen Fußes auf dem Meeresboden spazieren gehen. Und das auf jeder der neun Inseln. Was für den Laien auf den ersten Blick verwunderlich klingen mag, ist für Geowissenschaftler leicht zu erklären. Das Azoren-Archipel gehört zusammen mit Island, Ascension oder Jan Mayen zu den Makaronesischen Inseln. Sie sind die Spitze eines gewaltigen Gebirges unter Wasser, dem Mittelatlantische Rücken, der sich an einigen Stellen mehrere tausend Meter hoch aufgetürmt hat und vulkanischen Ursprungs ist.
Entstanden ist der Mittelatlantische Rücken beim Auseinanderdriften von tektonischen Platten. Vor rund 200 Millionen Jahren begann dieser Vorgang, zu einer Zeit als alles Festland im Superkontinent Pangäa vereint war. Seitdem wandern die Kontinentalplatten mit wenigen Zentimetern pro Jahr auseinander. Die Amerikanische Platte nach Westen und die Eurasische Platte nach Osten.
Die „Risse“ im Meeresboden, die an diesen auseinanderweichenden oder divergierenden Plattenrändern entstehen, werden durch aufsteigendes Magma gefüllt.
Kontinuierlich steigt das flüssige Gestein an diesen Nahtstellen nach oben, drückt die Platten auseinander und erkaltet schließlich. Neuer Meeresboden entsteht.
Diese „Produktion“ neuer Erdkruste verläuft auf einer mehrere zehn Kilometer breiten aktiven vulkanischen Zone im Ozean. Hier wurden auch die Inseln der Azoren geboren, die sich durch die andauernden untermeerischen Eruptionen bis über die Meeresoberfläche enmporhoben.
Wie Geowissenschaftler vor einiger Zeit herausgefunden haben, sind an der Entstehung von Inseln wie Island oder den Azoren neben dem Vulkanismus an divergierenden Plattenrändern auch so genannte Hot Spots beteiligt. Hot Spots sind lokal begrenzte Stellen, an denen heißes Magma aus dem Erdmantel bis in die Erdkruste aufsteigt und sich wie mit einem Schneidbrenner bis zur Meeresboden durchschmilzt.
Da sich die Erdkruste im Laufe der Zeit über einen solchen feststehenden Hot Spot hinwegbewegt, bildet sich meist eine ganze Kette aus nacheinander entstandenen Vulkanen oder Vulkaninseln. Die Inselgruppe Hawaiis ist der bekannteste Vertreter für dieses Phänomen, die Kanaren und Azoren gehören jedoch ebenso dazu. Santa Maria gilt mit 140 bis 160 Millionen Jahren als älteste Insel des Azoren-Archipels, die anderen sind sind mit zehn bis 20 Millionen Jahren erheblich jünger.
Die geologische Situation auf den Azoren ist dabei besonders interessant. Das Archipel liegt fast genau an der Schnittstelle der drei tektonischen Platten, die sich kaum 200 Kilometer nordwestlich befindet. Zudem gehören die Inseln aber auch noch unterschiedlichen „Schollen“ an. Flores und Corvo im Westen wandern daher jährlich um etwa zwei Zentimeter mit der amerikanischen Platte nach Westen, die anderen sieben Eilande dagegen um den gleichen Betrag mit der afrikanischen Platte nach Osten. Bleibt diese „Geschwindigkeit“ auch in Zukunft konstant, werden sich in einigen Millionen Jahren vermutlich zwei separate Inselgruppen gebildet haben.
Aufgrund der brisanten geologischen Gegebenheiten vor Ort ist es kein Wunder, dass die Inseln schon seit Menschheitsgedenken von schweren Naturkatastrophen heimgesucht werden. Immer wieder kam es nach heftigen Vulkanausbrüchen und schweren Erdbeben zu Todesopfern und heftigen Verwüstungen auf den Inseln.
Am 01. Januar 1980 wurde die Stadt Angra do Heroismo auf Terceira bei einem schweren Erdbeben in Schutt und Asche gelegt. 61 Menschen starben dort und auf den ebenfalls betroffenen Inseln Sao Jorge und Graciosa in den Trümmern. 1983 erklärte die UNESCO Angra zum Weltkulturerbe und unterstützte die aufwändige Restauration der jahrhundertealten Häuser mit großem finanziellen Aufwand.
Zuletzt gab es im Juli 1998 nach einem Erdbeben mit der Stärke von 5,8 auf der Richter-Skala, zehn Tote und 90 Verletzte auf Faial, obwohl das Epizentrum mehr als 15 Kilometern vom Festland entfernt im Meer lag.
Stand: 02.05.2003