Seit Mitte der 50er Jahre ist bereits bekannt, dass Ozon Pflanzen schädigen kann. Zu hohe Ozonwerten stimulieren daher die unterschiedlichen Abwehrmechanismen. Bei einigen Planzenarten läuft dabei sogar ein Selbstmordprogramm ab. Wissenschaftler des Forschungszentrums für Umwelt und Gesundheit in Neuherberg können nun in einer Art Frühwarnsystem die individuell ganz unterschiedlichen Reaktionen der Pflanze auf Ozon bereits in einem sehr frühen Stadium verfolgen.
Die intensive Sonneneinstrahlung und das ferienbedingt große Verkehrsaufkommen dieser Tage führen zu den derzeit hohen Ozonkonzentrationen. Sie belasten nicht nur den menschlichen Organismus, auch viele Pflanzen leiden. Allerdings reagieren nicht alle Pflanzen gleich: Wie beim Menschen gibt es Risikogruppen, die schon bei niedrigen Werten erste Reaktionen in Form von Blattschäden oder Wachstumsstörungen zeigen, während andere erst bei viel höheren Konzentrationen reagieren. Mit ihren Forschungsansätzen auf molekular-ökotoxikologischer Ebene können GSF-Wissenschaftler aus dem Institut für Biochemische Pflanzenpathologie nun auch die Ursachen für diese Unterschiede genauer benennen.
Reversibles Selbstmordprogramm
Bis vor kurzem war man davon ausgegangen, dass Ozon als chemisch hochreaktiver Stoff direkt die Pflanzmembranen angreift und damit die Schädigungen einleitet. Mittlerweile weiß man aber, dass Ozon lediglich als Stimulans tätig ist und das eigentliche Schadgeschehen von der Pflanze selbst in Gang gesetzt wird. Dabei startet – zunächst im Kleinen und reversibel- quasi ein „Selbstmordprogramm“ auf zellulärer Ebene. Der Zeitpunkt dafür ist genetisch gesteuert und läuft von Pflanze zu Pflanze bei unterschiedlichen Schwellen an. Die Qualität solcher genetisch gesteuerter Mechanismen entscheidet letztendlich darüber, wann die kritische interne Ozondosis erreicht wird, oberhalb derer eine Pflanze ihr Selbstmordprogramm startet und ob sie zur Risikogruppe zu zählen ist.
„Dank moderner molekularbiologischer Werkzeuge sind wir nun endlich in der Lage diese individuell ganz unterschiedlichen Reaktionen der Pflanze bereits in einem sehr frühen Stadium zu verfolgen“ erläuterte Professor Heinrich Sandermann, Leiter des GSF-Instituts für Biochemische Pflanzenpathologie. „Von dieser Art Früherkennung, konnten wir noch vor wenigen Jahren nur träumen.“ Auch die Diskussion um die kritische Grenze für Ozonkonzentrationen bei Pflanzen erhält neuen Stoff: Denn es kann nicht mehr davon ausgegangen werden, dass nach Überschreiten bestimmter Konzentrationen zwangsläufig mit Schäden zu rechnen ist oder umgekehrt unterhalb kritischer Werte Schäden auszuschließen sind.
Abwehrmechanismen bei Ozon
Entscheidend für das Ausmaß einer Ozonschädigung sind auch eine Reihe von Abwehrmechanismen, mit denen die Pflanze einer Ozonschädigung entgegenwirken kann. Während „schlaue“ Arten beispielsweise bei großer Hitze in der Lage sind, ihre Spaltöffnungen geschlossen zu halten, und damit eine Ozonaufnahme minimieren, gelingt dies anderen Arten weniger gut, das Schadgeschehen nimmt seinen Lauf. Auch für Gartenfreunde hat dies übrigens praktische Bedeutung: Wer seine Pflanzen im Garten sehr viel gießt, bewahrt sie zwar vor den Schäden, die die Trockenheit anrichten würde. Er läuft aber auch Gefahr, dass die Pflanzen Ozonschäden bekommen, da sie ihre Spaltöffnungen bei optimaler Wasserversorgung nicht schließen.
Bleibt die Frage, welche Auswirkungen auf lange Sicht eine – von Klimaforschern prognostizierte – Zunahme solcher Hitzeperioden und damit verbunden hohen Ozonwerten auf die Pflanzenwelt bei uns haben wird. „Bei dauerhafter Belastung ist zu befürchten, dass die Pflanzen nicht mehr alle Schäden selbst wieder gutmachen können“, prognostiziert Sandermann. Im Extremfall ist mit Wachstumseinbußen zu rechnen, dann bleiben die Jahresringe weg, wie das beispielsweise nach mehreren langanhaltenden Trockenperioden in Kalifornien in den 90er Jahren der Fall war.
Stand: 04.11.2002